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Bauernopfer zur Besänftigung der Empörung

■ Nach Öffnung des Reismarktes trat Südkoreas Premier Hwang In Sung zurück

„Ich werde die Reisimporte verhindern, selbst wenn es mich die Präsidentschaft kostet!“ schwor der Bewerber um das Amt des Staatschefs in Südkorea. Das war vor fast genau einem Jahr. Kim Young Sam gewann die Wahl, trat seinen Posten im Februar diese Jahres an, akzeptierte die Öffnung des bislang abgeschotteten südkoreanischen Reismarktes – und ließ seinen Premier gehen. Einen Tag nach Abschluß der Gatt-Verhandlungen quittierte Premier Hwang In Sung gestern seinen Dienst.

Ähnlich wie beim ostasiatischen Nachbarn Japan ist auch in Südkorea die Selbstversorgung mit Reis ein Thema, das nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als „nationale“ Frage debattiert wurde. Als Präsident Kim Young Sam Anfang Dezember eingestehen mußte, daß er die allmähliche Öffnung für Reisimporte bei den Gatt-Verhandlungen zugesagt hatte, brach ein Sturm der Entrüstung aus. Bauern und Studenten demonstrierten, die Opposition forderte den Rücktritt der Regierung. Die gesamte Landwirtschaft, von der sechs Millionen Menschen abhängen, drohe nun zusammenzubrechen, prophezeiten Bauern- und Bürgerorganisationen. In der vergangenen Woche mußte sich Kim für den Bruch seines Wahlversprechens öffentlich entschuldigen. In den Medien spekulierte man über die Entlassung von Ministern zur Besänftigung der allgemeinen Empörung. Wenige Stunden nach dem gestrigen Rücktritt Hwangs ernannte Kim den Chef der Anti-Korruptionsbehörde, den 58jährigen Lee Hoi Chang, zu dessen Nachfolger. Lees Ernennung solle „auch die Reformen voranbringen, mit denen die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden soll“, sagte ein Präsidentensprecher.

Südkorea ist nicht das einzige Land in Asien, in dem es heftige Proteste gab. In Indien brachen Tumulte aus, nachdem bekanntwurde, daß Premierminister Narasimha Rao sein Einverständnis mit dem Gatt-Ergebnis erklärt hatte. „Die Regierung gibt Indien den US-Imperialisten und ausländischen Multis preis“, rief Agenturberichten zufolge ein empörter marxistischer Abgeordneter. Und in Neu-Delhi und mehreren anderen Städten demonstrierten die Bauern gegen das Abkommen. Ebenso wie beim Nachbarn Pakistan beklagten sich auch in Indien führende Politiker darüber, daß die USA ihre Zölle auf Textilien und Bekleidung nicht genug senken wollen. Jutta Lietsch

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