Bauer klagt gegen Chemiewerk in China: Erfolg nach 16 Jahren
Chemieabfälle vergifteten sein Ackerland. Die Behörden halfen dem Bauern Wang Enlin nicht. Da griff er selbst zu Rechtsbüchern und siegte vor Gericht.
Der 65-Jährige, der nur drei Jahre zur Schule gegangen war, hat seit 2001 Gesetzestexte studiert, um schließlich mit anderen Dorfbewohnern gegen die Umweltverschmutzung eines Qihua-Chemiewerks zu klagen. Giftige Abwässer hatten damals die Felder seines Dorfes Yushutun in der Nähe von Qiqihar in der Provinz Heilongjiang im Nordosten Chinas überflutet. Seither ist Ackerbau auf dem Land unmöglich.
Als sich Wang Enlin über die Chemiefabrik beklagte, sagten ihm die Behörden, er müsse den Umweltschaden beweisen. Der Bauer fühlte sich im Recht, aber wusste nicht, welche Gesetze gebrochen worden waren. So begann er mit dem Studium juristischer Bücher. Da er kein Geld hatte, um die Bücher zu kaufen, las er die Texte in einem örtlichen Buchladen und schrieb sich wichtige Informationen in ein Heft. Dem Besitzer schenkte er als Gegenleistung immer wieder mal etwas Mais.
Vor knapp zehn Jahren bekamen Wang Enlin und seine Nachbarn kostenlose Unterstützung durch eine Anwaltskanzlei, die auf Umweltfälle spezialisiert ist. Das Gericht von Ang'angxi in Qiqihar nahm den Fall allerdings erst acht Jahre später auf. Auf Grundlage der gesammelten Beweise von Wang Enlin wurde der Chemiekonzern schließlich zu 820.000 Yuan, umgerechnet 110.000 Euro, Schadenersatz verurteilt.
Wang Enlin will weiter klagen
Das Urteil schlug in chinesischen Medien Wellen, weil Klagen gegen große Konzerne bisher noch selten Erfolg hatten. „Die meisten Leute haben wenig Zuversicht, eine Umweltklage einzureichen, besonders wenn die Beschuldigten große mächtige Firmen sind oder auch Behörden“, sagte Liu Jinmei, Anwalt am Zentrum zur Unterstützung von Opfern von Umweltschäden an der Pekinger Universität für Recht und Politik, der Zeitung Zhongguo Qingnianbao. „Sie glauben nicht, dass sie eine Chance haben.“ Doch Wang Enlin blieb hartnäckige und bekam viel Lob dafür. „Er hat sich selber das Recht beigebracht und gegen Anwälte gewonnen, die der Gegner in großen Städten angeworben hat“, kommentierte das Blatt.
So bescheiden der Schadenersatz für die Kläger nach 16 Jahren auch aussehen mag, so symbolisch ist der Erfolg gegen den Chemiekonzern, der in den vergangenen zehn Jahren neben dem Dorf auch noch eine fünf Meter hohe Halde mit tonnenweise Chemieabfällen aufgetürmt hat. „Ich werde weiter gegen Qihua klagen“, sagte Bauer Wang Enlin. Vier weitere Fälle seien noch anhängig. Sie sammelten weiter Material, um den Kampf fortzusetzen. „Wir haben einen sehr langen Weg vor uns.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren