: Bauen first, Bedenken second
Die neue Bauministerin Verena Hubertz war früher Unternehmerin. Sie setzt auf Tempo, vor allem bei den Genehmigungsverfahren. Das soll die Baukosten halbieren
Von Jasmin Kalarickal
Zügig geht Verena Hubertz, gekleidet in weißer Bluse und Jackett, in Richtung Baustelle. Hinter ihr stehen Gerüste, über ihr schweben Kräne, nur Lärm ist an diesem Tag Mitte Juni keiner zu hören. Die perfekte Kulisse in Berlin-Mitte für eine Bauministerin, um Neuigkeiten kundzutun. „Wir zünden heute den Bauturbo“, sagt Hubertz freudig ins Mikrofon. Kurz vorher hat das Bundeskabinett ihren Gesetzentwurf beschlossen, der das Bauen beschleunigen soll. Offiziell trägt das Gesetz einen komplizierten Namen, aber es kursiert jetzt unter dem Namen „Bauturbo“ – und vielleicht erzählt das auch schon einiges über die neue Bundesbauministerin von der SPD.
Verena Hubertz verliert sich nicht in verschachtelten Sätzen. Sie bricht komplizierte Dinge runter. In kurzen Videos auf Instagram gibt sie Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Häufig erfährt man dabei auch persönliche Dinge: dass sie Fan des 1. FC Kaiserslautern ist, Kaffee aus ihrer Trier-Tasse mit Regenbogen trinkt und gerne Coldplay hört. Aber Hubertz kann auch zugeknöpft: In einem Interview mit dem Spiegel sagt sie, dass sie zur Miete wohnt, aber auch Vermieterin ist – welche Preise sie verlangt, will sie nicht verraten.
Auf der Berliner Baustelle erklärt Verena Hubertz, dass man nun künftig schneller bauen könne. Oder aufstocken und nachverdichten. „Wie hier, da war mal mein Parkplatz, und jetzt entsteht hier ein richtiges Stadtquartier“, sagt sie. Auf den Zwischenruf einer Anwohnerin, dass dort auch Bäume standen, reagiert sie nicht. Vielleicht hat sie es nicht gehört.
Umweltverbände und Opposition befürchten jedenfalls, dass mit dem neuen Gesetz wahllos drauflos gebaut wird. Weniger Umweltprüfung, weniger Lärmschutz, weniger Bürgerbeteiligung, unbedachtere Flächenversiegelung, ein Anheizen der Bodenspekulation. „Das bedeutet nicht, dass wir jetzt alle Regeln über die Wupper werfen“, erklärt Hubertz. Aber man müsse Probleme „pragmatisch und schneller angehen“. Zielkonflikte, die es beim Bauen gebe, dürften „uns nicht lähmen“. Keine Zeit für Bedenken. Es brauche „Tempo, Technologie und Toleranz“. Politik mit Schlagworten. Marketingkompatibel.
Das passt zur Karriere der 37-Jährigen, die noch nicht lange in der Politik ist. Die studierte Betriebswirtin gründete 2013 mit einer Kommilitonin das Start-up Kitchen Stories, eine App für Kochrezepte, die später an eine Tochterfirma von Bosch verkauft wurde. 2020 verließ Hubertz die Firma und kandidierte für den Bundestag. Mit Erfolg, 2021 holte sie das Direktmandat für ihren Wahlkreis Trier – und wurde dann Vizechefin der SPD-Fraktion. Nur ein paar Jahre später ist sie nun Bundesbauministerin.
Mit diesem Posten wurde ihr eine große Aufgabe anvertraut. Sie soll dafür sorgen, dass das Wohnen wieder bezahlbar wird – in einer Zeit, in der die Zahl der Wohnungslosen steigt, Familien sich auf wenigen Quadratmetern zusammenquetschen und die Baubranche Hiobsbotschaften verkündet. Ihnen zum Trotz will Verena Hubertz, dass gebaut wird. Schnell und viel. Am liebsten mit Holz und seriell vorgefertigt. Deutschland sei nicht nur zu langsam, sondern auch zu kompliziert, gibt sie zu verstehen. Ein Genehmigungsverfahren soll künftig nicht mehr fünf Jahre, sondern nur noch zwei Monate dauern. Die Baukosten will sie halbieren.
Es sind vollmundige Versprechen für eine Ministerin, die vorher noch keine Berührungspunkte mit Baupolitik hatte. Die Vorgängerregierung hatte 400.000 Wohnungen versprochen und war damit gescheitert.
Inhaltlich setzt Hubertz keine völlig neuen Akzente, aber sie ist präsenter als ihre Vorgängerin. Klara Geywitz galt vielen als zu blass, zu unnahbar. Hubertz wirkt dynamisch, setzt auf Emotionen. In ihrer ersten Bundestagsrede als Ministerin erzählte sie, dass ihr Vater früher als Schlosser an Baggern geschraubt habe und sie nun dafür sorgen wolle, dass „die Bagger in diesem Land wieder rollen“. Oder dass sie im Studium bei Burger King für wenig Lohn Pommes verkauft habe, um das WG-Zimmer zu bezahlen.
Wohnen müsse bezahlbar bleiben für Auszubildende bis zum Rentner, findet sie. Und doch schimmert in ihren Aussagen auch immer die Unternehmerin durch, etwa wenn sie sagt: „Die Bauindustrie ist die Lokomotive unserer Wirtschaft.“ Was das für die Wohnungspolitik der kommenden Jahre heißt, wird sich noch zeigen.
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