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BaseballWuchtige Würfe

Slider, Curveball und Splitfinger: Nach seiner Einbürgerung soll der Exil-Kubaner Enorbel Marquez Ramirez die deutschen Baseballer beflügeln.

Kubanische Entwicklungshilfe für den deutschen Baseball - Ramirez Bild: Th. Winkler

Es passiert immer wieder. Dann muss Jesco Veisz noch einmal erklären, dass seine Spieler mitnichten zu klein sind für ihre Sportart. Dass er der Bundestrainer der deutschen Baseball-Spieler ist und eben nicht der der Basketballer. Und, ja, genau, das ist nicht das Spiel mit dem großen Ball und den Körben, sondern das mit dem kleinen Ball und dem Schläger. Ach, so wie Schlagball, oder Brennball, sagen die Leute dann.

Es wird noch eine Weile dauern, 10 bis 15 Jahre, dann wird auch der letzte Deutsche wissen, was Baseball ist. Schätzt Veisz. Damit das ein wenig schneller geht, wären sportliche Erfolge der Nationalmannschaft von Vorteil. Die wollen Veisz und seine Spieler bei der kommenden EM ab 7. September in und um Barcelona erreichen. Den letzten Feinschliff dazu holt sich das deutsche Team bei einer Testspielserie gegen Australien, am Dienstag in Saarlouis, am Mittwoch in Dortmund und am Donnerstag in Berlin.

Hoffnungen, dass sein junges Team die kommenden Aufgaben meistert, darf sich Veisz auch deshalb machen, weil er seit wenigen Monaten einen neuen Pitcher im Kader hat. Im Januar wurde die Einbürgerung von Enorbel Marquez Ramirez perfekt. Der gebürtige Kubaner ist verheiratet mit einer Deutschen und lebt seit drei Jahren in Berlin. In der vergangenen Saison wurde Marquez mit den Solingen Alligators deutscher Meister und ist in dieser Saison der mit Abstand beste Pitcher der Bundesliga.

Statistisch gesehen, lässt Marquez, der in der kubanischen Liga für Santiago de Cuba spielte, momentan nicht einmal einen Run des Gegners über die volle Spielzeit von neun Innings zu - ein gespenstisch guter Wert. "Aber", lächelt Marquez, "ich kann noch besser." Den Bundestrainer freuts. Der bullige Marquez, sagt er, bringt alles mit, "Erfahrung, Talent und Disziplin", um ein Führungsspieler zu werden in einem Team, das sonst auf junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs setzt. Der Fastball des ehemaligen Kubaners ist zwar nicht der allerschnellste, aber dafür beherrscht er ein Repertoire von vier Pitches. Mit Slider, Curveball, Change-up und Splitfinger verwirrt er erfolgreich die Gegner.

Längst liegen ihm Angebote vor von Klubs aus Holland und Italien. Dort kann man mit Baseball etwas mehr verdienen als das Taschengeld, das selbst die besten Bundesliga-Klubs zahlen, aber noch lange nicht genug, um mit der ganzen Familie ins Ausland umzuziehen. Momentan ist er hauptberuflich Hausmann und Vater, das Geld bringt die Gattin nach Hause, und Marquez hat Zeit, sich in Form zu bringen.

Noch träumt Marquez von einer Karriere im gelobten Land, in den USA - ein ziemlich unrealistischer Traum, denn schließlich ist "Norbert", wie ihn die Mitspieler in Solingen der Einfachheit halber nennen, bereits 32 Jahre alt. Für einen Pitcher, der viel von Erfahrung lebt, steht er im Zenit seines Könnens. Aber um sich in Amerika durchzubeißen, bleibt Marquez kaum noch Zeit.

Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und so sind Marquez Absichten und die der deutschen Mannschaft deckungsgleich. Beide hoffen, sich bei den bevorstehenden Kontinentalmeisterschaft für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Denn Olympia, das würde für Marquez die Chance bedeuten, sich auf großer Bühne den Scouts der großen amerikanischen Teams zu präsentieren. Für den deutschen Baseball wäre es die Chance, eine Medienpräsenz zu verbessern, die momentan gegen null geht, und die Randsportart zumindest ein wenig in den Fokus zu rücken. Olympia, das wäre wichtig, nicht zuletzt, weil Baseball in Peking vorerst zum letzten Mal auf dem Programm steht. In London 2012, das steht bereits fest, wird der amerikanische Nationalsport nicht ausgetragen. Ob der Aussetzer einmalig bleibt, das entscheidet das IOC 2009.

Der Europameister darf auf jeden Fall nach Peking, Zweit- und Drittplatzierter bekommen noch Chancen bei weiteren Turnieren. In Europa sind die Holländer überragend, stark gemacht durch Spieler aus den ehemaligen Kolonien, in denen Baseball zum Teil Nationalsport ist. Dann folgen die Italiener, die sich mit Italoamerikanern verstärken. Schließlich die Spanier, wo spanischsprechende Spieler aus Lateinamerika schnell mal eingebürgert werden.

Vor zwei Jahren in Holland wurde das deutsche Team Vierter und baut nun auf die Tatsache, dass bei einem solchen Turnier oft ein einziges Spiel entscheidet. Immens wichtig dabei: der Pitcher. Wenn dessen Würfe nur hart und platziert genug kommen und die gegnerischen Schlagmänner in Schach halten, dann ist das Spiel schon halb gewonnen. Ein Pitcher wie Enorbel Marquez. "Es wird schwer", sagt der Bundestrainer, "aber es ist machbar." Ansonsten wird er wohl noch öfter die Unterschiede zwischen Base- und Basketball erklären müssen.

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