Barbara Oertel über Gespräche zwischen Russland und Europarat: Wunschdenken hilft nicht
Die Entscheidung von Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarats, seine geplante Reise nach Russland zu stornieren, ist richtig. Denn die restriktiven Auflagen Moskaus für den 48-stündigen Besuch zu akzeptieren, hätte für Muižnieks bedeutet, nicht nur sich selbst, sondern auch die Institution Europarat der Lächerlichkeit preiszugeben.
Umso befremdlicher hingegen sind Äußerungen von Pedro Agramunt, seines Zeichens Präsident der Parlamentarischen Versammlung eben jenes „Hüters von Demokratie und Menschenrechten“. Erst vor wenigen Tagen sprach Agramunt sich für eine Rückkehr der russischen Delegation in die Versammlung aus – zwecks Aufnahme eines Dialogs, versteht sich.
Gegen einen Dialog zwischen Russland und Europarat ist nichts einzuwenden. Das Fatale im Falle Russlands ist jedoch, dass der Kreml glaubt, hierbei die Bedingungen und Regeln diktieren zu können. Wir erinnern uns: Dass der russischen Delegation im April 2014 das Stimmrecht im Europarat entzogen wurde, war eine Reaktion auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Diese Strafmaßnahme quittierte die russische Seite ihrerseits mit einem Boykott der Sitzungen. Heutzutage sind schwerste Menschenrechtsverletzungen auf der Halbinsel an der Tagesordnung, wobei vor allem Angehörige der Minderheit der Krimtataren betroffen sind.
1994 – während des ersten Tschetschenienkriegs – war mit dem Beitritt Russlands zum Europarat noch die Hoffnung verbunden, dort eine demokratische Entwicklung befördern zu helfen. Ein derartiges Wunschdenken kann bis auf weiteres getrost ad acta gelegt werden. Was Moskau von Institutionen wie dem Europarat hält, macht auch ein Gesetz von 2015 deutlich. So kann sich das russische Verfassungsgericht über Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinwegsetzen. Es bleibt festzuhalten: Dialog ja. Aber nur um einen Preis, den Straßburg festsetzt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen