Barbara Dribbusch über den sozialen Wohnungsbau: Mehr Ehrlichkeit, bitte!
Wer etwas erfahren will über das Elend des Kapitalismus, sollte sich der Wohnungsfrage widmen. Ein privater Investor – selbst wenn er keine hohe Rendite wollte – müsste in Berlin für einen Neubau rund 13 Euro Kaltmiete nehmen, stellte eine Prognos-Studie 2017 fest. So teuer sind Baukosten und Bauland. Ein Berliner Haushalt mit mittleren VerdienerInnen kann diese Summe nicht aufbringen, es sei denn, fast die Hälfte des Einkommens ginge für die Miete drauf.
Die hohen Mieten sind also auch ein Verarmungsprogramm – selbst für die Mittelschicht. Eine Rentnerin, die nach einer Modernisierung 150 Euro mehr an Miete zahlen muss, hat ab sofort genau diese Summe weniger zum Leben. In Berlin gibt es Tausende von Hartz-IV-Empfängern, deren Miete von den Jobcentern nicht mehr voll übernommen wird, weil sie zu teuer geworden ist. Die Leute finden aber nichts anderes. Sie zahlen den fehlenden Betrag aus dem Regelsatz. Das ist ein Skandal.
Um dem Wohnungsproblem zu begegnen, müsste ein riesiges Neubauprogramm aufgelegt werden: Sozialneubauten oder mehr Wohngeld, auch für die Mittelschicht. Dazu eine schematische Rechnung, angelehnt an die Prognos-Studie: Würde man eine Neubauwohnung eines privaten Investors auf einen Mietpreis von 8 Euro pro Quadratmeter heruntersubventionieren, wären dies bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung 350 Euro pro Monat an öffentlicher Förderung. Geld, das irgendwo irgendwie aus Steuermitteln aufgebracht werden müsste. Am Ende würde sich die Mittelschicht quasi selbst subventionieren. Es gäbe Diskussionen darüber, wer denn unter welchen Bedingungen und Einkommensgrenzen das Recht hätte auf eine „Sozialwohnung“, die ja längst nicht mehr das alte Stigma von Armut hat, sondern in den Metropolen heute schon so etwas ist wie ein Lottogewinn.
Das Verhetzungspotenzial des Themas ist groß. Aber um wirklich über Wohnungsbauförderung zu reden, müssen Zahlen genannt und alle Akteure ehrlicher werden.
inland
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