Bankenkrise in Spanien: EU will helfen
Nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds braucht Spanien kurzfristig 40 Milliarden Euro zur Stabilisierung des Bankensystems. Es könnte aber auch doppelt so viel sein.
BRÜSSEL/MADRID/WASHINGTON dpa | Eine milliardenschwere europäische Hilfsaktion für Spanien rückt näher. Die Finanzminister der Eurogruppe wollen noch an diesem Samstag über die gefährliche Bankenkrise in Spanien beraten. Der Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker setzte für 16.00 Uhr (MESZ) eine Telefonkonferenz der Ressortchefs an, wie Junckers Sprecher bestätigte.
Noch offen ist allerdings EU-Diplomaten zufolge, ob bei der Konferenz der Minister bereits ein offizieller Hilfsantrag erfolgt und konkrete Beträge auf den Tisch gelegt werden. Erwartet wird aber, dass die Finanzminister der 17 Euro-Länder zumindest ein starkes politisches Signal geben, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Aus Kreisen der Eurogruppe verlautete, Spanien habe bislang noch keinen Antrag gestellt. Man will aber vorbereitet sein, wenn ein solcher Antrag kommt, hieß es.
Der spanischen Nachrichtenagentur EFE zufolge will die Regierung in Madrid zunächst die Meinung der EU-Partner einholen, bevor sie eine Entscheidung über eine Rekapitalisierung der Banken treffen wird. Regierungsquellen sagten EFE, die Telefonkonferenz sei nicht auf Gesuch Spaniens einberufen worden.
Juncker plädiert für eine rasche Lösung der spanischen Bankenkrise. "Die Lösung wird schnell erfolgen müssen", sagte Luxemburgs Premier im Deutschlandradio Kultur. Juncker betonte unter Hinweis auf die Konsolidierungsbemühungen in Madrid, die Situation Spaniens und Griechenlands sei nicht vergleichbar. Spanien habe ein Bankenproblem, Griechenland ein viel breiteres.
Ergebnis eines Stresstests
Der spanische Bankensektor benötigt nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Krisenpuffer von mindestens 40 Milliarden Euro. Das frische Kapital würde gebraucht, wenn die düstersten Konjunkturvorhersagen für das Euroland eintreten würden. Dieses Ergebnis eines Stresstests geht aus einem IWF-Bericht über die Stabilität des spanischen Finanzsystems hervor, der in Teilen am Freitagabend (Ortszeit) in Washington veröffentlicht wurde.
Der tatsächliche Kapitalbedarf sei wegen möglicher Kosten für Restrukturierungen und Kreditausfälle sogar bis zu doppelt so hoch, sagte eine IWF-Mitarbeiterin in einer Telefonkonferenz. Zuvor war über eine Summe von bis zu 100 Milliarden Euro spekuliert worden.
Der IWF meint, dass der Bankensektor des Landes im Kern gegen eine weitere Verschlechterung der spanischen Konjunktur gewappnet ist. So hätten die größten spanischen Institute eine ausreichende Kapitaldecke. Es gebe aber in manchen Segmenten und bei bestimmten Instituten Anfälligkeiten. Deshalb werde insgesamt der zusätzliche Finanzpuffer benötigt, um die von Notenbankern ausgearbeiteten schärferen Eigenkapitalregeln (Basel III) einhalten zu können. Zudem müssten zum Schutz des Finanzsystems Reformen voll umgesetzt und ein glaubhafter Rückhalt aufgebaut werden.
Der Stresstest habe indes nicht zur Absicht gehabt, eine definitive Größe des Kapitalbedarfs zu ermitteln, sondern vor allem Schwächen im Finanzsektor festzustellen, betonte der IWF. Noch gewartet wird in Madrid auf Gutachten der Beratungsgesellschaften Oliver Wyman (USA) und Roland Berger (Deutschland), die in etwa zehn bis 14 Tagen vorliegen sollen.
Immobilienkredite sind Wurzel des Übels
Spanien kämpft gegen eine schwere Bankenkrise und steckt in der Rezession. Allein die Krisenbank Bankia will vom Staat für seine Sanierung insgesamt mehr als 23 Milliarden Euro. Vor allem eine Vielzahl „fauler" Immobilienkredite hat die Bankenbranche in die Krise gestürzt.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat Madrid bis zuletzt um Details gefeilscht. Demnach will Madrid erreichen, dass Gelder aus EU-Strukturprogrammen für die Bankenhilfe angerechnet werden können. Damit wolle Madrid möglichst die Auflagen für EU-Hilfen möglichst gering halten, hieß es in gut informierten Kreisen.
Der Staat, der selbst unter einer hohen Schuldenlast ächzt, hat das Geld zur Bankenrettung nicht in der Kasse. Er kann es sich auch nicht ohne weiteres auf den Kapitalmärkten besorgen, weil Spanien - wie Finanzminister Christóbol Montoro zuletzt selbst einräumte - dort keine Kredite zu erschwinglichen Bedingungen mehr erhält.
Spanien befürchtet, dass bei einem Antrag auf Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds das Land in denselben Topf geworfen würde wie Griechenland, Portugal und Irland und damit das Vertrauen der Anleger für längere Zeit verlöre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten