: Ballett der Schwerkraft
■ Weit entfert vom gängigen Nummernprogramm: Als Lovely Bastards bringen drei gescheiterte Existenzen ihr Publikum versehentlich in Rage
Das Gekreische der Begeisterung wegen soll bei den Shows der Lovely Bastards angeblich lauter sein als bei herkömmlichen Boygroups. Ob das den drei jungen Männern allerdings wirklich recht ist, wollen wir mal anzweifeln: Schließlich hat es jeder der drei geschafft, die eigene Biographie gründlich zu vermasseln. Eigentlich hatten sie deswegen vor, unerkannt durch die heruntergekommenen Varietébühnen des Landes zu tingeln.
Bei „Sir“ Wessels zum Beispiel handelt es sich um einen bereits in der dritten Generation verarmten, schlesischen Adligen, der durch missliche Umstände in Schwierigkeiten geraten ist. Deswegen befindet er sich auf der Flucht, jongliert mal hier, mal da, wenn er nicht gerade wieder einen Selbstmordversuch unternimmt – einen spektakulären, versteht sich.
Auch Jojo Weiß ist eine gescheiterte Existenz: Das von seinem Vater aufgezwungene Fagott-Studium hat er gerade abgebrochen, weil er es vorzog, Mundposaune zu spielen. In der Rolle des Witzbolds fühlt er sich einfach wohler als in der eines ernsthaften Studenten am Konservatorium.
Mit Nil Reinsberg verhält es sich folgendermaßen: Eine große TV-Karriere lag schon zum Greifen nah, doch gleich in der ersten Folge seiner Raten und Warten-Show soff ein Kandidat beim Langzeittauchen ab. Zu schade. Nun muss sich der romantisch veranlagte Ex-Showmaster mit Taschenspielertricks durchschlagen.
Ganz unten angelangt, sind die Lovely Bastards dennoch unschlagbar. Ob sie bei ihrem Gastspiel im Schmidts Tivoli ihr „Ballett der Schwerkraft“, eine akrobatische Tischtennis-Partie oder extravagante Comedy präsentieren – vom klassischen Nummernprogramm ist weit und breit nichts zu sehen, wenn die drei Humorspezialisten ihre Mischung aus Theater, Comedy und Varieté präsentieren und sich gegenseitig an die Wand und in die Herzen des Publikums spielen.
Meike Fries
Mi, 18. bis So, 29. August, 20 Uhr, Schmidts Tivoli
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
