piwik no script img

Bahrays Beerdigung in BerlinDer falsche Täter

Die Solidarität der linken Szene mit dem ermordeten Khaled Idris Bahray hat schlagartig abgenommen. Zur Beerdigung kamen nur 250 Menschen.

Imam Mohammed Antabli bei der Beerdigung von Khaled Idris Bahray Bild: dpa

BERLIN taz | Auf einem Friedhof in Berlin wurde Khaled Idris Bahray am Samstag bestattet. Der 20-jährige Asylbewerber aus Eritrea war vor zwei Wochen in Dresden durch mehrere Messerstiche in Hals und Oberkörper ermordet worden. Gut 250 Menschen begleiteten die Beerdigung, darunter auch eine Tante Bahrays. Seine Mutter, die im Sudan lebt, konnte nicht anreisen. Die Stadt Dresden schickte Kristina Winkler, die Integrations- und Ausländerbeauftragte. Auch der Linken-Abgeordnete Hakan Tas und die Arbeiterwohlfahrt kamen.

Eine Woche zuvor waren allerdings noch 3.000 Menschen in Berlin zum Gedenken an Bahray auf die Straße gegangen. Auf den Plakaten standen Sprüche wie „Wir alle sind Khalid“, „Trauer und Solidarität“ und „Deutschland, du Mörder“. Die linke Szene Berlins hatte breit mobilisiert, die meisten Teilnehmer der Demonstration waren Weiße. Jetzt zur Beerdigung kamen dagegen deutlich weniger Menschen - und fast nur Schwarze.

Ging es bei der Demonstration vor einer Woche also wirklich um Trauer und Solidarität? Oder um die Instrumentalisierung eines Ermordeten für die eigenen politischen Zwecke? Am Donnerstag waren die ersten Ergebnisse der Ermittlungen bekannt geworden. Als Täter verdächtig ist demzufolge kein rechtsextremer Pegida-Nazi, wie von der linken Szene vorhergesehen, sondern ein ebenfalls aus Eritrea stammender, 26 Jahre alter Mitbewohner. Dessen DNA fand die Polizei offenbar an der Tatwaffe, er soll die Tat bereits gestanden haben.

„Voreilige Bewertungen

„Ich bin hier, um Khaled auf seinem letzten Weg auf Erden zu begleiten“, sagt Taha Tekle, der aus Eritrea stammt und heute zur Beerdigung gekommen ist, obwohl er den Toten nicht persönlich kannte. Er sagt, niemand habe es verdient, ermordet zu werden, egal von wem und aus welchem Grund.

„Es war ein Fehler, vorschnell den Mord an Khaled zu bewerten“, schreibt die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König selbstkritisch auf Twitter. „Rassismus tötet“, hatte sie in Bezug auf Bahray behauptet, bevor die Ermittlungsergebnisse bekannt wurden.

Sargpflicht in Sachsen

Vergleichsweise weit hatte sich auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu aus dem Fenster gelehnt: Er sei „erschüttert, dass Sicherheitsbehörden nach den NSU-Morden noch solche eklatanten Fehler begehen“, hatte er vor einer Woche auf der Demonstration in Berlin gesagt. Der Veranstalter, die Naturfreundejugend Berlin, hatte kritisiert, dass die Polizei erneut ein rassistisches Tatmotiv ausblende. Kritisiert wurde auch, dass die Polizei die Mitbewohner des Ermordeten überhaupt vernommen hatte, anstatt sich auf Nazis zu konzentrieren.

Bahray wurde in Berlin beerdigt, weil in Sachsen Sargpflicht herrscht. Auf dem Friedhof in Spandau wurde der Sarg nur bis zum Transport zum Grab benutzt. Unter die Erde kam Bahray dann in einem Leichentuch, wie es nach islamischem Brauch üblich ist.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Die selbstkritischen Töne von Katharina König und diesem taz-Artikel sind allerdings ein gutes Zeichen. Linke und Antirassisten schaden sich enorm, wenn sie sich selbst unter Empörungsdruck setzen: Wer am schnellsten und lautesten reagiert, gilt als der aufrechteste Kämpfer gegen die gemeinsamen Feinde. Das geht manchmal nach hinten los, und der Fall Khaled ist nicht der erste, der nach hinten losgegangen ist (Sebnitz, Mittweida, Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge usw.) Wer etwas vorsichtiger ist, bemerkt die Wahrnehmungstrübung durch stereotype Antifa-Feindbilder und geht auf Distanz. Es gibt keine guten Vorurteile.

  • ++„Es war ein Fehler, vorschnell den Mord an Khaled zu bewerten“, schreibt die Thüringer Linken-Abgeordnete Katharina König++

     

    Genau. Und trotzdem wird es beim nächsten Mord oder beim nächsten Brand wieder genauso laufen - so wie es bisher immer lief. Noch bevor der Täter bekannt ist, wird laut geschrien, es gibt Demos gegen "Rassismus" und gegen "rechts" etc. Stellt sich heraus, dass der Täter eben kein böser Nazi ist, sondern aus demselben Kulturkreis wie das Opfer stammt - hört man nur noch ohrenbetäubendes Schweigen der vorher sehr Lauten. Vermutlich weil sie nicht wissen, wie sie ihre Enttäuschung in Worte fassen sollen. Ich finde, irgendwann ist mal eine Entschuldigung fällig, dafür, dass diese Leute uns alle sofort unter Generalverdacht stellen.

  • "Kritisiert wurde auch, dass die Polizei die Mitbewohner des Ermordeten überhaupt vernommen hatte,..."

    ...und nicht stattdessen Bachmann zum Täter 'ernannt' hat, oder wie?

  • "Kritisiert wurde auch, dass die Polizei die Mitbewohner des Ermordeten überhaupt vernommen hatte, anstatt sich auf Nazis zu konzentrieren. "

     

    Einigen "Aufrechten" wäre es offensichtlich lieber gewesen, man hätte den wahren Täter davon kommen lassen und die Tat stattdessen einen Nazi-Südenbock in die Schuhe geschoben.

  • Schwarze töten Schwarze? Das ist dem antirassistischen Aktivisten egal. Wer es nicht auf eine Website als "Opfer rechter Gewalt" schafft, ist quasi umsonst gestorben.

    Man kann ihn nicht mehr "verwerten".

    Den Leuten geht es ja gar nicht um den Menschen, sondern um ihre Weltanschauung.

    • @Frank Heinze:

      Wenn es um den Menschen ginge, hätte ja auch Pegida zur Beerdigung kommen können.

  • Also für mich stellen Menschen, die andere Menschen wegen nicht einhalten des Putzplanes in einer WG umbringen, eigentlich eine größere Gefahr da wie weiße Rassisten.

     

    Ich glaube aber auch nicht, dass das zu einem besonderen solidarischen Verhalten zwischen allen Menschen mit unordentlicher Haushaltsführung und Putzen nur nach Lust führen wird.

  • Welch selbstgerechte, überhebliche Gehässigkeiten!

  • Möglich ist natürlich, dass es sich bei dem betreffenden Mitbewohner auch um den Mörder von Khaled Idris handelt, Zweifel daran sind aber mehr als angebracht und das sicher nicht ohne Grund!

    1.) Anfangs heisst es seitens der POlzei, ein Fremdverschulden liege nicht vor!

    2.) ERst 24 Stunden nach Auffinden der Leiche wird die Spurensicherung in Kenntnis gesetzt!

    3.) Die POlizei verkündert, der TAtort könne unmöglich der Fundort sein!

    Und jetzt wird uns auf doch sehr bequeme Art und WEise uns ein MItbewohner als Täter präsentiert? Tut mir leid, aber wer dem bedingungslos Glauben schenkt, dem kann man nur Ignoranz, kritiklose Obrigkeitsgläubigkeit, wenn nicht sogar Dummheit attestieren!

    • @Michael KLlein:

      Es ist schon komisch, wie schnell die Polizei doch nun einen Täter gefunden haben will, wo sie doch zuerst gar keinen Mord erkannte! Es ist dieselbe Polizei, die die Teilnehmerzahlen bei Pegida immer arg hoch einschätzt, was ja auch schon verschiedentlich angemerkt wurde. Ob die Dresdener Polizei politisch nicht so ganz neutral ist?

    • @Michael KLlein:

      Klingt ganz wie die Masse der "NSU"-Vorverurteiler die alle als absolute Kriminalistik-Experten natürlich alles schon vorher gewusst haben!

       

      Was Sie da vorbringen ist einfach nur von keiner Fachkenntnis getrübter Unfug.

       

      Zu1. Ein Fremdverschulden ist beim Augenschein sowie der Leichenschau durch den NA nicht erkannt worden. Um den Sachverhalt aufzuklären hat der NA "nicht natürlichen Tod" korrekt bescheinigt und die Pokizei darauf hin eine Sektion veranlasst.

       

      Zu2. Der Einsatz der KT war erst NACH der Todesursachenfeststellung zu veranlassen.

       

      Mit "Glauben" bewegen Sie sich selbst auf dem Niveau von Pegida & Co, verbleiben Sie doch einfach dort. Wird mit einfachen Weltbildern und Antworten belohnt.

      • @KarlM:

        ..naja, aber bei einer Leiche mit mehreren Stichwunden im Hals zu behaupten, man könne Fremdverschulden ausschließen ist dann aber doch ein wenig gewagt, oder? Da dürfte auch noch der letzte Obrigkeitsgläubige - ganz ohne jede Verschwörungstheorie - ins Zweifeln kommen, ob an dieser Stelle möglicherweise absichtlich etwas Unwahres behauptet wurde....

        • @Katinka F:

          Warum müssen solche Sachverhalte so oft von offenkundig maximal Ahnungslosen komemntiert werden?

           

          Sie Sie in einem medizinischen beruf tätig?

           

          Alos nochmal: Bei Auffindung und Leichenschau warden die puren scharfer Gewalt als solche nicht erkennbar.

           

          Sowohl die Schädigungen wie auch die tatsächliche Todesursache wurden erst bei der nachfolgenden Sektion erkannt; dafür ist die ja auch da....

    • @Michael KLlein:

      Es ist schon bezeichnend, dass Sie mit keinem Wort auf den eigentlichen Kern des Artikels eingehen: an einem Sonntag kommen nur 250 Menschen zu seiner Beerdigung, die meisten auch noch selbst Migranten und dazu sehr wenige "Offizielle". Mag ja sein, dass Sie Recht haben und Ermittlungsbehörden & Co. sich (wie immer?) irren. Aber der eigentliche Skandal ist, dass offensichtlich "Ich bin..." nur eine hohle Phrase ist, die sich als Statusmeldung auf Facebook gut macht. Nach dem Foto fürs Profil werden die Schilder mit der politischen Einstellung zusammen entsorgt. DAS ist hier das Problem!

  • In der Täterfrage ist das letzte "rechte" Wort noch nicht gesprichen. Verrat, Lug, Trug ist im Militär und Polizeikreisen notrorisch üblich. Und Eritrea ist von Bürgerkriegen seit langem geschüttelt!! Und aisserdem, ist selbst die Information seitens der Polizei deshalb noch mit Vorsicht zu betrachten!"!

    • @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      ... und also schloss er messerscharf, dass nicht sein kann was nicht sein darf!

  • wäre schön, wenn man auch anderen Ermorderten soviel Anteil zukommen lassen würde, egal, welcher Nation, Hautfarbe, Religion!