Bahn-Konkurrent kehrt zurück: Zweite Chance für die Billigschiene
Zwischen Berlin und Stuttgart rollen jetzt wieder Locomore-Züge. Nach der Insolvenz kooperiert der neue Eigentümer mit Flixbus.
Das insolvente Fernzug-Start-up wurde vom tschechischen Verkehrsunternehmen Leo Express übernommen, das künftig den Betrieb regelt. Es kooperiert mit dem Fernbusbetreiber Flixbus, der für Ticketvertrieb, Marketing und Service zuständig ist.
Am 24. August soll es losgehen. Die Tickets kosten für Schnellbucher 9,90 Euro, auch später soll es einige dieser Spartickets geben. Nach der Startphase soll der Preis steigen, noch ist unklar, wie hoch. Zunächst fährt Locomore nur einmal täglich von Donnerstag bis Montag, ab September werde das Angebot erweitert, sagte Flixbus-Pressesprecherin Bettina Engert.
Locomore hatte seit Dezember letzten Jahres Fahrten auf dem deutschen Streckennetz angeboten. Das Konzept klang zu schön, um wahr zu sein: deutlich billiger als die Deutsche Bahn, dazu kostenloses WLAN, Ökostrom und Bio-Catering. Im Mai hatte das Unternehmen Insolvenzantrag gestellt, weil die verkauften Bahntickets nicht die hohen Kosten decken konnten. Als sich kein neuer Investor fand, war der Betrieb im Mai eingestellt worden.
Optimismus der Betreiber, Skepsis vom Fahrgastverband
Der neue Kooperationspartner Flixbus ist überzeugt, mit dem Konzept mehr Erfolg zu haben. Die Ticketnachfrage bei Locomore sei schon ziemlich hoch gewesen, über die Flixbus-Plattform könne man die nötige Zahl an Kunden gewinnen, um einen nachhaltigen Betrieb bei günstigen Ticketpreisen zu ermöglichen, sagte Flixbus-Geschäftsführer André Schwämmlein.
Auch beim privaten Bahnunternehmen Leo Express, das in Tschechien bereits länger mit Flixbus kooperiert, zeigt man sich optimistisch: „Wir glauben an das Produkt Locomore“, sagte Geschäftsführer Peter Köhler.
Kritischer sieht das Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverbands Pro Bahn. Er ist skeptisch, ob die neuen Eigentümer das Unternehmen langfristig finanzieren können. „Die Rahmenbedingungen für alternative Bahnanbieter sind sehr schlecht“, sagte Naumann. Grund seien zum Beispiel die hohen Trassenkosten und der immense Organisationsaufwand im Bahnvertrieb. Trotzdem begrüßt Naumann die Übernahme: „Wir würden uns freuen, wenn es mit Locomore klappt.“
Wer sich jetzt schon auf Pläuschchen über US-Präsident Donald Trump oder Häkelrunden im Zugabteil freut, wird allerdings enttäuscht: Einer der Clous der Locomore-GründerInnen, Abteile in Themen wie Politik, Stricken oder Kaffeeklatsch zu unterteilen, wird von den neuen Eigentümern nicht übernommen. „Wir teilen die Vision von nachhaltigem Bahnverkehr, aber unser Schwerpunkt liegt auf der bezahlbaren Mobilität“, sagte Bora Mickowa von Leo Express. „Nicht alle Elemente können übernommen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren