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Bäuerinnenkalender 2009Von Milchmädchen und Melkmaschinen

Bäuerinnen posieren als fesche Landfrauen für Kalender. Lust auf Stallarbeit haben immer weniger, aber die Krise könnte für die Landwirtschaft eine Chance sein.

Wer sagt denn, dass Stallarbeit schmutzig sein muss? Bild: dpa

"Farmgirls" - dazu findet man fast sechs Millionen Einträge im Internet. Die Angebote reichen von Biogemüse, das Jungbäuerinnen in Montana anbauen, über einfühlsame journalistische Porträts von Teenagern auf dem Land bis zum Geschlechtsverkehr mit Nutztieren - für "Animal Sex Lovers".

DER BAUER ALS MARKE

Gutes vom Lande ist auch gut für die Wirtschaft. Denn es steht für Ursprünglichkeit und Qualität. Bauern sind deshalb gern gesehen in der Werbung, den Medien und auf Events.

"Bauer sucht Frau": Seit 2005 hilft die Doku-Soap einsamen Burschen vom Land, eine Frau zu finden, die weder Mist noch Mäuse fürchtet. Die vierte Staffel lockte bis zu 8,59 Millionen Zuschauer vor den Fernseher.

Bauer sucht Joghurt: Die Molkerei Müller wirbt für ihre Buttermilch mit einem attraktiven jungen Mann, der von der Alm stammen soll. Von schwerer Arbeit im Stall ist ihm allerdings nur wenig anzumerken.

Bäuerin sucht Titel: In Belgien wird alle zwei Jahre die "Schönste Bäuerin von Flandern" gekürt. Die adrette Gewinnerin wird internationale Botschafterin der flämischen Landwirtschaft und wirbt auf Plakaten und Veranstaltungen für die Produkte der Region. Das Auswahlverfahren für 2009/10 startet morgen.

Burger sucht Bauer: McDonalds schickte 2008 Normalbürger auf die Suche nach dem Ursprung der Fastfoodprodukte. In den Spots trafen die "Qualitätsscouts" vor ländlicher Kitschkulisse auf Viehzüchter vom Chiemsee und Kartoffelbauern aus Hannover.

Für deutsche Liebhaber des Bukolischen gibt es seit sieben Jahren den "Bäuerinnenkalender", in dem jedes Mal ein Dutzend halbnackter Landmädchen posieren - und dabei für die Jahreszeit typische bäuerliche Tätigkeiten medienbewusst nachstellen. Der Kalender wird von der Bayrischen und Österreichischen Jungbauernschaft herausgegeben. Ihre erste "Girls Edition" löste noch einen kleinen Skandal im Alpenraum aus. Die sechste wurde in der taz zusammen mit der "Men-Edition" rezensiert. Und der Siebte hat nun bereits Konkurrenz bekommen - durch den "Oberschwäbischen Bäuerinnenkalender", im Bild oben etwa Januar-Bäuerin Alice Böttcher aus Ostrach.

Für beide gilt: "Alle Models müssen vom Land sein - mit einem Landwirt verlobt oder verheiratet oder noch im Einsatz auf dem elterlichen Hof bzw. in einer landwirtschaftlichen Ausbildung." Während die oberschwäbischen Jungfrauen im Heu, auf dem Mähdrescher, beim Hühnerfüttern oder im Schuppen beim Holzhacken Modell standen, wurden die Aufnahmen für den bayrisch-österreichischen Bäuerinnenkalender nun erstmalig in einem Studio und in "Schwarz-Weiß-Optik mit farblichen Applikationen" (wie Äpfel, Birnen, Strohblumen, Weinreben) gemacht. Hier haben sich die Models also bereits vom bäuerlichen Alltag emanzipiert, während sie ihn im schwäbischen Kalender noch gleichsam zitieren.

Es gibt dazu einen schönen Kontrast - ebenfalls in Schwarz-Weiß: Das sind die "Bäuerinnen-Bilder", die der Landwirtschaftsverlag in Münster aus dem Nachlass des Agrarjournalisten Wolfgang Schiffer zusammengestellt hat. Schiffer suchte und fand seine Motive über mehrere Jahrzehnte auf westdeutschen Bauernhöfen.

Auch in diesem ausführlich kommentierten Bildband posieren die Frauen vor landwirtschaftlicher Kulisse bzw. neuer Technik, wie in der gezeigten Aufnahme einer Bäuerin, die ihren Kindern die neue "Rohrmelkanlage" vorführt. Aber eigentlich betonen sie nur bäuerliche Tätigkeiten, die sie sowieso rund um das Jahr erledigen. Der Fotograf und seine Modelle haben dabei höchstens den Moment etwas geschönt. So sind die Kinder zum Beispiel alle wie zum Kirchgang fein gemacht worden. Herausgekommen sind dabei Sonntagsfotos vom bäuerlichen Alltag, sie umfassen die Zeit von den Fünfzigerjahren bis heute.

Dazu passt eine Serie von Interviews, die eine noch größere Zeitspanne thematisiert. Sie wurde ebenfalls im Landwirtschaftsverlag veröffentlicht; zusammengestellt hat sie die Agrarwissenschaftlerin Ulrike Siegel: In den ersten zwei Bänden erzählen in den Sechzigerjahren geborene "Bauerntöchter" ihre Geschichte. Viele haben inzwischen intellektuelle Berufe gefunden. Im dritten Band "Wolltest du Bäuerin werden?" haben die Töchter dann ihre Mütter interviewt, die zeit ihres Lebens in der Landwirtschaft gearbeitet haben.

Die Erzählungen wollen zusammengenommen ein für ganz Deutschland geltendes realistisches Bild von den Landfrauen vermitteln. Dabei kommt heraus, dass es für die Mütter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum Alternativen zum Leben als Bäuerin gab, während den Töchtern langsam sozusagen die Welt offenstand. Das führte nicht in jedem Fall dazu, dass sie aus der Landwirtschaft flüchteten: Aus dem fast zwangsläufigen Schicksal wurde jedoch eine freie Entscheidung.

In einem anderen Projekt, das sich mit der Landwirtschaft beschäftigt, kommt dies schon im Titel zum Ausdruck: "Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben." So heißt eine Dokumentation von drei Künstlern (Antje Schiffers, Thomas Sprenger und Veronika Olbrich), die seit geraumer Zeit als "Hofmaler" durch die EU-Länder reisen. Ihre Ölbilder tauschten sie vor Ort mit den Landwirten gegen ein von diesen selbst gedrehtes Videoporträt. Im Frühjahr 2009 veröffentlichen sie darüber ein Buch, außerdem stellt der Kunstverein Langenhagen (bei Hannover) ihre Arbeiten aus. Das Ganze wurde von der Kulturstiftung des Bundes finanziert - aus dem Fonds "Arbeit in Zukunft".

Der Titel "Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben" klingt trotzig - gegen eine Zukunft gerichtet, die der bäuerlichen Landwirtschaft langsam, aber sicher die Existenzgrundlage entzieht - wenn nicht die kapitalistische "Krise" sich 2009 derart verschärft, dass erneut die alte, überwunden geglaubte Subsistenzwirtschaft ins Blickfeld gerät. Im November 2008 schien es für die FAZ-Redakteurin Ingeborg Harms bereits wieder so weit zu sein. Rückblickend über die vergangenen letzten Modejahre meinte sie: "Man übte sich darin zu blenden. Alles reimte sich auf Sport und Sexappeal. Aber nun ist diese Ästhetik auf den Laufstegen genauso abgemeldet wie auf den Straßen. Fantasien von Aufbruch, Flucht und Rückzug auf das Essenzielle liegen in der Luft: zum Beispiel Landleben und Selbstversorgung." Das war aber wohl allzu voreilig, hysterisch geradezu gedacht.

Einstweilen bleibt es noch dabei: Der Bauer und die Bäuerin sind eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Sie sind in Europa schon beinahe so selten wie ihre Gegenspieler, die herumziehenden Zigeuner, geworden. Und ihre Dörfer sind bereits "untergegangen", wie der holländische Sozialforscher Geert Mak in seinem Buch "Wie Gott verschwand aus Jorwerd" 1996 befand.

Ob die Kalender mit den attraktiven Jungbäuerinnen, die sich großer Beliebtheit nicht nur auf dem Land erfreuen, auch die Landwirtschaft wieder attraktiv machen, darf deswegen bezweifelt werden. Selbst von den 550.000 Landfrauen, die sich in 12.000 Ortsverbänden organisiert haben, sind nur noch die wenigsten Bäuerinnen. In Hessen sind es lediglich zehn Prozent.

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3 Kommentare

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  • H
    heinz

    man nennt ihn auch den "Oberschwäbischen Güllekalender"

  • N
    Nolo

    Das hat doch nichts mit sexismus zu tun. Es gibt sowohl einen Kalender mit Frauen als auch mit Männern.

  • C
    charlo

    Wann gehören sexistische Fotos in der taz (Print und Online)der Vergangenheit an?