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BVG-StreikDer Senat lässt weiter streiken

Ver.di hat sich verkalkuliert: Statt Druck auf die BVG auszuüben, steht die Gewerkschaft selbst unter Zugzwang. Heutige Verhandlungen könnten den Streik beenden. Das letzte Wort hat dabei der Senat

Bild: DPA

Keiner wünscht sich sehnlicher, dass Busse und Bahnen wieder fahren, als die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Für den heutigen Samstag hat die Gewerkschaft, die den Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) vom Zaun gebrochen hat, die Verhandlungspartner vom Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) zu Gesprächen eingeladen. "Ich hoffe, dass es uns gelingt, einen vernünftigen Rahmen für weitere Verhandlungen abzustecken", sagte Ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler am Freitag. Sollte dies gelingen, könnte der Streik im günstigsten Fall schon am Sonntag beendet werden.

Seit zehn Tagen sind die knapp 12.000 Mitarbeiter der BVG und ihrer Tochterfirma Berlin Transport (BT) im Ausstand. Zehn Tage, in denen Ver.di in erster Linie die Fahrgäste und sich selbst unter Druck gesetzt hat. Von ihrer Forderung nach mindestens 250 Euro mehr Lohn für alle Beschäftigten ist die Gewerkschaft inzwischen abgekommen. Am Freitag lobte Ver.di-Chefin Susanne Stumpenhusen gar das magere Angebot von BVG-Vorstandschef Andreas Sturmowski, den Mitarbeitern 3,3 Prozent mehr Lohn zu zahlen. Das wären für einen Busfahrer, der in der höchsten Lohngruppe rangiert, 75 Euro zusätzlich. Ver.di öffnet die Verhandlungspforten sogar noch weiter: Als untere Grenze für Einkommenserhöhungen bieten die Verhandlungsführer 3 Prozent an. "Das ist ein erheblicher Schritt auf die Arbeitgeber zu", sagte Bäsler.

Doch die wollen die BVG-Mitarbeiter offenbar weiter in den Depots schmoren lassen. Der KAV lässt sich gern als Mittler für die Verhandlungen einladen - "Wir werden die Einladung zu Gesprächen annehmen", so Sprecherin Mona Finder -, aber ob der Verband überhaupt die nötigen Vollmachten besitzt, um auf Ver.di zuzugehen, ist zweifelhaft.

Selbst BVG-Chef Andreas Sturmowski wurde bereits zurückgepfiffen: von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), der auch Aufsichtsratsvorsitzender der BVG ist. Damit ist Sturmowskis 3,3-Prozent-Angebot obsolet. Das bestätigt Ver.di-Chefin Stumpenhusen: Sarrazin habe ihr am Freitag gesagt, selbst 2 Prozent seien zu viel. "Wir haben den Eindruck, dass der Senat den Streik auf Kosten der Berliner aussitzen will", sagte Stumpenhusen.

Nachvollziehbar wäre es. Die Regierungsparteien SPD und Linke sind sich einig darin, nur den Beschäftigten der Tochterfirma BT nennenswerte Zuschläge zu gewähren. Diese verdienen deutlich weniger als ihre alteingesessenen Kollegen bei der BVG. Das Land subventioniert die BVG mit jährlich 300 Millionen Euro - und kann beim aktuellen Streik sogar Geld sparen.

Zudem macht sich unter den BVG-Mitarbeitern, die nicht bei Ver.di organisiert sind, Unmut breit: "Wir haben der BVG angeboten, auf den U-Bahn-Linien 1 und 2 einen Notverkehr einzurichten", berichtet Klaus Schmitt von der Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr, die 250 Mitglieder zählt - mehrheitlich U-Bahn-Fahrer. Auch Frank Bäsler sagte, man überlege, mit Teilen der Belegschaft wieder ans Netz zugehen.

Unterdessen ist schon der nächste Streik in Sicht. Für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes fordert Ver.di 2,9 Prozent mehr Einkommen, Ende April will die Gewerkschaft zur Urabstimmung aufrufen. Sollten auch sie für einen Ausstand votieren, könnten BVGler und der öffentliche Dienst parallel streiken, sagte Bäsler. Er klang dabei ziemlich resigniert.

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1 Kommentar

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  • RS
    Rainer Sommer

    Hallo! Frau Lehmann!

    Es wird nicht wahrer, wenn man es wiederholt: Es geht nicht um die geringer bezahlten Kollegen von der BT - auch bei der BT gibt es "Neu-" und "Altbeschäftigte". Immerhin existiert der Betrieb schon seit 1999, der TV-N wurde erst Anfang 2007 dort übernommen. Also, nochmal zum Mitschreiben: Die Unterscheidung von Alt- und Neubeschäftigten hängt mit der Übernahme des von den Arbeitgebern diktierten Spartentarifvertrags Nahverkehr Berlin zusammen, der zum 1. September 2005 abgeschlossen wurde. Die strittigen Sicherungsbeträge und ihre Unantastbarkeit wurden damals mit dem Segen des Senats vereinbart.

    Daß der Streik nur die Berliner Bevölkerung trifft, kann man ja so auch nicht behaupten. Immerhin hat die BVG-Sprecherin Reetz vor einigen Tagen schon mächtig zurückgerudert bezüglich der Folgekosten, die der Streik verursacht. Liegengebliebene U-Bahn-Baustellen, fehlende Lieferungen, die derzeit nicht angenommen werden, weitere daraus folgende Streichungen der Senatszuweisungen ... Der Streik wirkt also auch auf die Arbeitgeberseite, was von dieser nur ungern zugegeben wird. Ohne Auswirkungen auf die Bevölkerung kann ein Streik im Öffentlichen Dienst nicht bleiben. Das ist immer wieder die Krux dabei. Und darum überlegt Ver.Di sehr genau, ob sie zu diesem Arbeitskampfmittel greift. Aber ohne Streik hat die Gewerkschaft überhaupt kein durchgreifendes Mittel in einer Tarifauseinandersetzung.

    Ist das alles so schwer zu begreifen?

    MfG

    Rainer Sommer,

    BVGer seit 1984, Taz-Abonnent seit 1991, Genosse seit 2000