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BUSHS NAHOSTPLAN BLEIBT AN ALLEN WICHTIGEN PUNKTEN UNBESTIMMTWenig Frieden durch die Pax Americana

Es ist vollbracht: US-Präsident George W. Bush hat seine lange und mit Spannung erwartete Grundsatzrede zur Befriedung des Nahostkonfliktes gehalten. Einen „Fahrplan“ hat er angekündigt, um die eskalierende palästinensisch-israelische Auseinandersetzung ein für alle Mal zu beenden. Das Kernstück dabei ist das neue Prinzip der US-Regierung: Wir unterstützen die Gründung eines provisorischen palästinensischen Staates, wenn der jetzige Palästinenserchef Jassir Arafat darin keine Rolle mehr spielt.

Wichtigste Voraussetzung für einen solchen palästinensischen Staat sind für Bush nicht nur neue transparente und demokratische Institutionen der Palästinenser, sondern auch eine völlig neue Führung, die nicht durch dreißig Jahre Terror kompromittiert sei. Auch wenn Bush der Name Arafat kein einziges Mal über die Lippen kam, so deutlich hat die US-Regierung den jetzigen Palästinenserchef noch nie abserviert.

Nun gibt es auch unter den Palästinensern einige, die ein Ende von Arafats diskreditierter Verwaltung durchaus begrüßen würden. Das aber als Voraussetzung für einen eigenen Staat zu deklarieren, ist selbst für sie problematisch – zumal der US-Präsident deutlich gemacht hat: Bevor überhaupt von einem provisorischen palästinensischen Staat die Rede sein kann, erwartet er vor allem von den Palästinensern Vorleistungen. Sie sollen dem Terror abschwören. Dabei macht Bush aber nicht deutlich, ob er hiermit jene blutigen und sinnlosen Selbstmordanschläge gegen israelische Zivilisten innerhalb Israels meint oder die israelische Sichtweise übernimmt, das jeglicher Widerstand gegen die israelische Besatzung unter der Kategorie Terror läuft.

Erst wenn alle palästinensischen Vorleistungen erbracht sind, also eine neue Führung installiert ist und keine weiteren militärischen Operationen mehr erfolgen, wird die US-Regierung die Gründung eines provisorischen palästinensischen Staates – Zitat Bush – „unterstützen“. Auf die entscheidende Frage, auf welchem provisorischen Territorium und mit welchen provisorischen Grenzen ein solcher Staat entstehen soll, gab Bush keine Antwort – abgesehen vom Umstand, dass das Konzept eines provisorischen Staats im internationalen Recht gar nicht existiert.

Viel potenzielles Staatsgebiet steht derzeit nicht zur Disposition. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’tselem leben im Westjordanland derzeit 380.000 Siedler in 135 Siedlungen, meist in zusammengeschlossenen Landstrichen, für die 43 Prozent des Westjordanlandes konfisziert wurden. Um diese abzusichern, hat Israel weitere 20 Prozent zum Staatsland erklärt. Dazu kommen ungefähr 400 zerstreut liegende Dörfer, über die die israelische Armee direkte Kontrolle ausübt und die weitere 20 Prozent ausmachen. Übrig bleiben die acht palästinensischen Städte, die ein Fünftel des Westjordanlandes, aber kein zusammenhängendes Gebiet darstellen, und die durch 120 israelische Militärkontrollpunkte voneinander getrennt sind.

An all dem zu rütteln, steht nicht im neuen Bush-Fahrplan. Zwar sollen, fordert der US-Präsident, keine weiteren Siedlungen gebaut werden, aber keine einzige auf arabischem Boden illegal gebaute israelische Siedlung soll aufgelöst werden. Die israelischen Truppen sollen sich zunächst lediglich an die Punkte zurückziehen, an denen sie sich zu Beginn der jetzigen palästinensischen Intifada vor 18 Monaten befunden haben – sofern dies die Sicherheitslage erlaubt. Das eigentliche Ende der israelischen Besatzung soll dann innerhalb von drei Jahren zwischen Israelis und Palästinensern ausgehandelt werden, heißt es nur noch vage. Vorgaben dazu kommen aus Washington kaum.

Die neue Pax Americana im Nahen Osten lässt sich wie folgt zusammenfassen: Palästinenserchef Jassir Arafat geht in Rente. Die Konflikte um die israelische Besatzung einerseits und den palästinensischen Staat andererseits werden voneinander getrennt. Die israelische Besatzung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens läuft weiter. Und auf irgendeinem Fleckchen wird sich schon ein kleines Plätzchen für einen provisorischen palästinensischen Staat finden lassen. Die Last der Vorleistungen ist äußerst ungleich verteilt. Der nahöstliche Frieden wird dadurch wohl kaum ausbrechen.

KARIM EL-GAWHARY

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