: BRD-Präsenz in Birma
Was vor wenigen Wochen noch niemand für möglich gehalten hat, an diesem Wochenende ist es tatsächlich geschehen: nach 26 Jahren Diktatur hat das unbewaffnete birmesische Volk die von den Generälen kontrollierte „Birmesische Sozialistische Programmpartei“ (BSPP) zur Kapitulation gezwungen. Noch als der langjährige starke Mann Birmas, Ne Win, der Partei bei seinem Rücktritt einen Volksentscheid über ein Mehrparteiensystem vorschlug, lehnte sie diesen Vorschlag nicht nur ab, sondern setzte auch noch den brutalsten Mann des Landes, Sein Lwin, als seinen Nachfolger ein. Die folgenden Demonstrationen vom 8. bis 12. August wurden von Sein Lwin auf brutalste Weise niedergeschlagen und forderten 3.000 Todesopfer auf seiten der unbewaffneten Demonstranten. Doch bereits nach 17tägiger Amtszeit sah sich auch der schon seit 1962 für seine Studentenmassaker berüchtigte Sein Lwin gezwungen zurückzutreten. Eine Woche später kam Maung Maung, der 73 Jahre alte Ex-Justizminister und einzige Zivilist im Exekutiv-Komitee der BSPP, an die Spitze von Partei und Staat. Obwohl er ankündigte, am 12.September auf einem Sonderparteikongreß ein Referendum über ein Mehrparteiensystem vorzuschlagen, hatte er keine Chance. Allein die Tatsache, daß Maung Maung Mitglied der BSPP ist, reichte für das Mißtrauen der Bevölkerung aus. Alle Bevölkerungsschichten, inklusive der Studenten, Mönche, Kaufleute, Angestellten und Beamten der Ministerien, stellten ein Ultimatum: Maung Maung solle bis letzten Mittwoch zurücktreten. Dies hat er aber nicht getan.
Unterdessen haben sich in etwa 40 Städten Bürgerkomitees konstituiert, um die Geschäfte weiterzuführen, nachdem die Angestellten der Verwaltung ihre Posten niedergelegt hatten. Von Tag zu Tag wird die Situation in Birma unübersichtlicher. Während die Lebensmittelversorgung in den Städten nahezu zusammengebrochen ist, kommt es in Rangun zu Plünderungen und nächtlichen Überfällen.
Wohl um den endgüligen Abgang der Diktatur zu beschleunigen, hat der Vorsitzende der US-Kommission für Asien im Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten des Repräsentantenhauses, Stephen Solarz, die Bundesrepublik und Österreich aufgefordert, Ne Win und seiner Regierungsclique Asyl zu gewähren.
Warum ausgerechnet die BRD?
Tatsächlich pflegte die BRD einzigartige Beziehungen mit der Sozialistischen Union Birma. Zwar hat Bonn eine für dieses Jahr zugesagte Kapitalhilfe in Höhe von 50 Millionen Mark vorerst eingefroren und Verhandlungen über einen Schuldenerlaß verschoben, doch die guten Beziehungen reichen weit zurück. Bereits Anfang der fünfziger Jahre, kurz nachdem Birma 1948 die Unabhängigkeit von Großbritannien erhielt, knüpfte das bundeseigene Unternehmen Fritz Werner erste Kontakte nach Birma. Die junge Birmanische Union, damals eine verfassungsgemäße Demokratie, sah sich bereits drei Monate nach der Unabhängigkeit mit einem Aufstand der birmanischen Kommunisten konfrontiert. Kurz darauf brach auch die ethnische Minorität der Karen mit der Zentralregierung, die ihnen weder territoriale noch kulturelle Autonomie einräumte. Zunehmend geriet die Zentralregierung unter Druck. Unter der Präsidentschaft des jetzt wieder aus der Versenkung aufgetauchten U Nu fand Birma einen bereitwilligen Partner in der deutschen Firma Fritz Werner, die sich in finanziellen Nöten befand. Zwischen 1950 und 1957 startete Fritz Werner seine birmanischen Unternehmungen mit Hilfe der Waffenfabrikanten Heckler und Koch. Fritz Werner eröffnete in Rangun eine Waffenfabrikation, um G3-Gewehre, noch heute die gebräuchliche Schußwaffe der birmanischen Armee, herzustellen. Später kamen verschiedene Munitionsfabrikationen hinzu. Fritz Werner engagierte sich aber auch in der ansässigen Glas- und Reifenindustrie.
Nur wenigen ausländischen Firmen gelang es, unter dem Banner sozialistischer Abschottungspolitik solch intensive Handelsbeziehungen mit Birma zu unterhalten. Wie aus diplomatischen Kreisen in Rangun verlautet, wird die Diskretion und Verläßlichkeit des Geschäftspartners besonders geschätzt. Kurz nach dem Besuch des damaligen Entwicklungshilfe-Ministers Warnke 1984 ging Fritz Werner die erste Joint Venture zwischen einer deutschen Firma und dem birmanischen Ministerium für Schwerindustrie ein, dem die wichtigen Ressorts des Maschinenbaus und der Waffenfabrikation unterstehen. Bislang hat die BRD in dem rohstoffreichsten Land der Region Kredite in Höhe von 831 Millionen DM investiert und weitere 209 Millionen DM technische Hilfe gewährt. Die Anregung aus den USA, Le Win Asyl anzubieten, wollte das Auswärtige Amt bislang nicht kommentieren.
Khin Nyo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen