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BGH prüft passive SterbehilfeWillensermittlung für Koma-Patientin

Der mutmaßliche Wille einer Wachkoma-Patientin muss neu ermittelt werden. Ihre Familie verlangt nach fünf Jahren die Einstellung der künstlichen Ernährung.

Eine Wachkomapatientin liegt im Alten-und Pflegeheim der Diakonie in Düsseldorf in ihrem Bett. Bild: dpa

KARLSRUHE afp | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Voraussetzungen der passive Sterbehilfe für Wachkoma-Patienten geklärt, die keine Patientenverfügung hinterlegt haben. In solchen Fällen dürfen an die Feststellungen des Patientenwillens selbst dann keine strengeren Beweisanforderungen gestellt werden, wenn Patienten ohne die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen womöglich noch viele Jahre leben würden.

Das entschied der BGH in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Mit dem Urteil erzielten Angehörige einer Patientin, die seit fünf Jahren auf einer Pflegestation im Wachkoma liegt, einen wichtigen Teilerfolg. (Az. XII ZB 202/13)

Der Ehemann und die Tochter der Betroffenen waren zu deren Betreuern bestellt und hatten die Einstellung der künstlichen Ernährung per Magensonde für die Frau gefordert, die wegen einer Gehirnblutung seit 2009 im Wachkoma liegt. Die klagenden Angehörigen beriefen sich bei ihrer Forderung darauf, dass sich die Frau vor ihrer Erkrankung gegenüber Familienangehörigen und Freunden gegen lebenserhaltende Maßnahmen bei solch einer Erkrankung ausgesprochen habe.

Wenn, wie im aktuellen Fall, keine Patientenverfügung vorliegt und der betreuende Arzt einen Behandlungsabbruch verweigert, sind laut Gesetz sogenannte Betreuungsgerichte gefordert, den mutmaßlichen Willen der Patienten festzustellen. Die „Strenge“ dieser Ermittlung muss laut BGH aber unabhängig davon erfolgen, ob der Tod der Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht.

Selbst wenn keine Todesgefahr drohe und Patienten noch viele Jahre leben könnten, seien noch strengere Beweisanforderungen unzulässig, entschied der BGH und hob ein gegenteiliges Urteil der Vorinstanz auf. Das Gericht bestätigte damit eine entsprechende Gesetzesreform vom September 2009.

Laut BGH muss nun das Landgericht Chemnitz in Sachsen die früher geäußerten Behandlungswünsche der Patientin nochmals ermitteln und dabei das Selbstbestimmungsrecht der Frau einerseits mit dem Schutz des Lebens auf der anderen Seite abwägen.

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7 Kommentare

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    http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/aok-krankenhaus-report-2014-19-000-tote-durch-behandlungsfehler-a-944615.html

  • http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/stationen/lourdes-wunderheilung-marienwallfahrt-100.html

     

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  • Erwachen nach 19 Jahren

     

    14. Juli 2004, 09:08 Uhr

     

    Terry Wallis ist aufgewacht, nach 19 Jahren Koma. Für ihn ist es das Jahr 1984, Ronald Reagan ist Präsident der Vereinigten Staaten und deren Erzfeind die Sowjetunion.

     

    http://www.stern.de/wissen/mensch/koma-patient-erwachen-nach-19-jahren-526856.html

  • Rom Houbens Bewusstsein galt als erloschen, die Ärzte schrieben ihn ab. Tatsächlich war der Belgier nach einem schweren Autounfall zwar gelähmt, aber nicht komatös. Mehr als 20 Jahre lang musste der heute 46-Jährige machtlos seine Fehlbehandlung ertragen, bis der Irrtum schließlich auffiel.

     

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/fehldiagnose-komapatient-war-23-jahre-bei-bewusstsein-a-662627.html

  • Das Bureau Médical hat in den vergangenen 121 Jahren über 4000 Fälle dokumentiert, wo scheinbar unheilbar kranke Menschen doch geheilt wurden, davon wurden. 66 der Fälle wurden offiziell als Wunder anerkannt.

  • "Das Gericht bestätigte damit eine entsprechende Gesetzesreform vom September 2009."

     

    Gewaltenteilung 2.0? Seit wann bestätigen denn ordentliche Gerichte in Deutschland Gesetze?