BERTELSMANN HAT RTL-MEHRHEIT: NEUE RUNDE IM MEDIALEN KREISVERKEHR: Offline statt Online
Jetzt ist die RTL Group also nicht mehr nur zu einem, sondern zu zwei Dritteln in der Hand von Bertelsmann. Was für den Vorstandsvorsitzenden Middelhoff ein „strategisch und firmenhistorisch bedeutsamer Schritt ist“ – unter solchen Superlativen scheint es der Vorstandsvorsitzende nicht zu machen, während Radio- und TV-Konsumenten dies allenfalls als Randnotiz abbuchen. Längst haben sie den Überblick verloren, wie die Mega-Medien-Multis AOL/Time Warner, Murdoch, Bertelsmann, Kirch und Springer an welchen Sendern beteiligt sind. Zumal die Anteile immer wieder im Kreisverkehr veräußert werden. Das beschäftigt neben der Medienbranche allenfalls die Regulierungs- und Kartellbehörden; so auch diesmal.
Es fand also ein Aktientausch von Bertelsmann mit der belgischen Investorengruppe GBL statt – die übrigens auch auf das Mineralölunternehmen TotalFinaElf anteilsbedingten Einfluss ausübt, welches bekanntermaßen nicht nur in Deutschland unter verschärfter Beobachtung steht. Dass die mächtigen Belgier zum zweitgrößten Bertelsmann-Eigner aufsteigen, ist nicht nur wegen der aktuellen politischen Verwicklungen interessant: Hier entsteht eine neue Form der Branchen übergreifenden Kooperation, sozusagen ein „Medial-Industrieller Komplex“.
Klar ist: Mit dem RTL-GBL-Deal stärkt das Gütersloher Unternehmen ein weiteres Mal seine schon als „klassisch“ geltenden „Offline“-Medien – also die eigenen und vom Konzern kontrollierten Fernseh-, Radio-, Film- und Musik-Studios. Sie sind die Urheber, naja, jedenfalls die entscheidenden Produzenten und Lizenzgeber von „Inhalten“ (Contents) sowie die Erfinder, naja, jedenfalls die entscheidenden Kommerzialisierer von „Markennamen“ (Brands). Contents und Brands – dies ist genau das, was die im heutigen Sprachgebrauch noch als „neu“ geltenden Online-Medien trotz teurer Anstrengungen bislang kaum hervorbrachten. Stattdessen leben auch Bertelsmann-bezogene Online-Auftritte von den Contents und Brands der Offline-Medien. Daher gelten diese Offline-Medien nach der aktuellen Firmenstrategie als die wichtigeren Glieder in der Wertschöpfungskette.
Diese konzernpolitische Einsicht ist neu: Noch vor kurzem wurde die Kontrolle über den Internetzugang angestrebt, etwa via Beteiligung an AOL („ein strategisch und firmenpolitisch bedeutsamer Schritt“). Doch dann kaufte AOL Time Warner und damit quasi die Bertelsmann-Anteile zurück. Wie das eben so geht im globalen Mediengeschäft.
HENRY STEINHAU
Der Autor lebt als freier Multimedia-Journalist in Berlin
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