BERLINER FINANZEN: Sparkurs kommt teuer zu stehen
Sozialstadträte warnen: Personalkürzungen verursachen hohe Kosten.
Sechs Sozialstadträte von Linkspartei und Grünen haben am Freitag gegenüber dem Senat die Muskeln spielen lassen: Sollte das Land angesichts steigender Fallzahlen kein zusätzliches Personal genehmigen, sondern auf Kürzungen bestehen, müssten Mitarbeiter aus dem Sozialbereich abgezogen werden, sagte Stephan von Dassel (Grüne), zuständiger Stadtrat in Mitte, bei einer Pressekonferenz. Leistungen unterlägen dann keiner Kontrolle mehr – und würden voraussichtlich entsprechend teuer für das Land. Der Senat müsse sich entscheiden, warnte von Dassel: „Entweder er gibt 5 Millionen Euro mehr für Personal aus. Oder er muss 50 Millionen für zusätzliche Transferleistungen zahlen.“
Hintergrund der kritischen Situation ist die demografische Entwicklung: Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung stieg von 2006 bis 2011 um ein Drittel. Auch die Hilfen zur Pflege und die zur Eingliederung Behinderter nahmen in dieser Zeit um je ein Drittel zu. Aufgrund der Alterung der Gesellschaft wird erwartet, dass diese Entwicklung weitergeht – und die Verwaltung entsprechend mehr zu tun bekommt.
Die Sozialstadträte aus Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg fordern deshalb mehr Personal. Doch der Senat hat den Bezirken einen Sparkurs verordnet: In den Bezirksverwaltungen sollen bis 2016 insgesamt rund 1.500 Stellen wegfallen.
Das hätte nach Angaben der Stadträte gravierende Folgen für das Land selbst, das für viele Transferleistungen zahlt. Beispiel Neukölln: Der Bezirk zog 2006 alle Mitarbeiter aus dem Bereich der ambulanten Hilfen für Wohnungslose ab, berichtete Stadtrat Bernd Szczepanski (Grüne). Der Umfang der Leistungen stieg daraufhin von 4,2 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 12 Millionen Euro im Jahr 2010. „Die Träger haben gemerkt: In Neukölln kontrolliert keiner. Da können wir machen, was wir wollen“, so Szczepanski. Der Senat habe daraufhin die Notbremse gezogen und doch wieder Personal genehmigt.
Die Finanzverwaltung kommentierte den Vorstoß der Stadträte am Freitag zurückhaltend. Anders als in vergangenen Jahren könnten die Bezirke bei Kürzungen selbst Prioritäten setzen, erklärte eine Sprecherin. „Insofern liegt es in der politischen Verantwortung der jeweiligen Bezirksämter, dem Personalbedarf in bestimmten Bereichen zu entsprechen, auch bei den Sozialämtern.“
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