Autounfall im WM-Trainingslager: Werbeaktionen auf dem Prüfstand

Noch rekonstruieren Polizei und Staatsanwaltschaft die Umstände des schweren Autounfalls. Der DFB und Mercedes-Benz denken bereits über Konsequenzen nach.

DFB-Teammanager Oliver Bierhoff: „Die Gefahr für die Spieler muss ausgeschlossen werden.“ Bild: dpa

ST. LEONHARD dpa | Nach dem schweren Autounfall mit zwei Verletzten bei einem Sponsorentermin der deutschen Nationalmannschaft kommen solche Events beim Deutschen Fußball-Bund auf den Prüfstand. „Es ist klar, dass solch eine Aktion und ein solcher Unfall in die Bewertung kommen“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff am Mittwoch in St. Leonhard. „Trotz des schlimmen Ereignisses“ befürchte er aber „keine Konsequenzen für die weitere Vorbereitung“ der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw auf die Weltmeisterschaft in Brasilien.

Das Training im italienischen Passeiertal wird bis zum geplanten Ende am Samstag fortgesetzt. Bierhoff war noch am Abend des Unglückstages zusammen mit den beiden Mercedes-Piloten Pascal Wehrlein (19) und Nico Rosberg (28) zu den Verletzten in die Krankenhäuser von Bozen und Meran gefahren. Das sei „ein starkes Bedürfnis“ aller gewesen, berichtete er. Man halte Kontakt zur Frau des schwer verletzten deutschen Urlaubers.

Der 63-Jährige war vom 360 PS starken Mercedes, den Wehrlein gesteuert hatte und in dem der Schalker Nationalspieler Benedikt Höwedes als Beifahrer saß, auf einer kurvigen Strecke erfasst worden. Wehrlein war mit seinem Auto hinter Formel-1-Pilot Rosberg gefahren und offenbar bei einem Ausweichmanöver von der Straße abgekommen.

„Die Strecke war sicher, war abgesperrt“, sagte Hauptkommissar Johann Ramoser von der Polizei in Bozen bei einer Pressekonferenz im DFB-Medienzentrum. An jeder Seitenstraße hätten Posten gestanden, mit Bändern sei der Kurs abgesperrt gewesen. Ramoser ließ jedoch erkennen, dass es trotzdem ein Risiko gab: „Natürlich kann man aus jeder Wiese raustreten, sonst muss man auf eine Rennstrecke gehen.“

Mercedes unterstützt die Ermittlungen

Zum Stand der Ermittlungen und der Dauer des Verfahrens machte der Kommissar keine Angaben. Mercedes-Benz kündigte an, die Behörden umfassend zu unterstützen. Das Film- und Fotomaterial aus den Autos sei sofort zur Verfügung gestellt worden. Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft Bozen.

Über den Gesundheitszustand der Unfallopfer wurde nichts mitgeteilt. Nach Berichten lokaler Medien soll der schwer verletzte Deutsche „ein isoliertes Schädelhirntrauma“ erlitten haben. „Der Schock über die tragischen Ereignisse sitzt sehr tief“, schrieb der 19 Jahre alte Unglückspilot Wehrlein bei Facebook: Er bete dafür, dass bald positive Nachrichten von den Verunglückten kämen.

Aktion war „kein Speed-Rennen“

Mercedes-Sprecherin Claudia Merzbach, die bei der Aktion vor Ort gewesen war, betonte, dass es sich bei der „Produktfahrt-Vorstellung“ um „kein Speed-Rennen“ gehandelt habe: „Es gab keine Zeitmessung.“ Ähnliche Aktionen habe es in fast allen Trainingslagern des DFB-Teams gegeben. Bei möglichen Konsequenzen des Stuttgarter Automobilbauers ginge Sorgfalt vor Schnelligkeit, sagte sie: „Wir sind am meisten daran interessiert, wo war vielleicht ein Fehler.“ Bierhoff erklärte: „Die Lust für so eine Aktion ist jetzt erstmal nicht vorhanden.“

Der Manager sprach von einem „großen Schock“ bei der Mannschaft. Besonders betroffen reagierten die Beifahrer Höwedes und dessen Schalker Vereinskollege Julian Draxler (20). Vier weitere Spieler hätten später mitfahren sollen. „Körperlich geht es mir gut“, teilte Höwedes mit. Er habe eine Aussage bei der Polizei gemacht. Er sei angeschnallt gewesen und habe Erste Hilfe geleistet. Zum Unfallhergang äußerte sich der 26-Jährige auf der DFB-Homepage nicht. Bierhoff kündigte für künftige Sponsoren-Aktivitäten an: „Wo ist die Gefahr für die Spieler? Das muss ausgeschlossen werden.“

Das nicht so schwer verletzte zweite Unfallopfer erhob keine Vorwürfe gegen Unfallfahrer Wehrlein. „Nein. So etwas wollte doch niemand“, sagte der Einheimische dem Express und der Hamburger Morgenpost. „Vielleicht hätten sie da nicht ganz so schnell sein müssen“, äußerte er jedoch. Er habe vergeblich versucht, den Urlauber zu retten. Der Mann habe nicht auf der Straße gestanden, aber dicht dran und wollte wohl ein Foto machen. „Ich wollte ihn zurückziehen, habe es nicht mehr geschafft.“

Rosmarie Pamer, Bürgermeisterin der Gemeinde St. Martin im Passeiertal, fürchtet Auswirkungen auf die Stimmung bis zur Abreise des DFB-Teams: „Logischerweise ist die sehr gedrückt. Ich hoffe, dass es dem schwer verletzten Mann bald bessergeht und der Unfall nicht im Mittelpunkt der zehn Tage Trainingslager steht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.