Autoritäres Singapur: Todesstrafen-Kritiker im Knast
Die Justiz des südostasiatischen Stadtstaates geht gegen einen britischen Journalisten vor, der ein kritisches Buch über die dortige Hinrichtungspraxis geschrieben hat.
BERLIN taz | Der 75-jährige britische Journalist Alan Shadrake ist am Samstagmorgen in seinem Hotel in Singapur festgenommen worden. Die Behörden wurden nach einer Anzeige der "Medienentwicklungsagentur" genannten Zensurbehörde aktiv. Sie werfen ihm Verleumdung sowie Missachtung des Gerichts vor. Shadrake ist Autor des Buches "Es war einmal ein fröhlicher Henker: Singapurs Justiz auf der Anklagebank". Über eine Anklage wird laut einer Justizsprecherin am 30. Juli entschieden.
Shadrake war nach Singapur gereist, um für sein im Juni im benachbarten Malaysia erschienenes Buch zu werben. Darin kritisiert er auf knapp 220 Seiten die Anwendung der Todesstrafe in Singapur, die noch aus der britischen Kolonialzeit stammt. Sie wird in dem Stadtstaat an Freitagen im Morgengrauen durch den Strang vollstreckt und ist obligatorisch bei Drogenhandel und -besitz (ab 15 Gramm Marihuana), Mord, schwerem Raub, Meuterei und Landesverrat.
Shadrake zeigt an Beispielen einiger Exekutierter und Todeskandidaten die unsoziale und ungerechte Anwendung der Todesstrafe. Das Buch enthält auch ein Porträt samt Interview von Darshan Singh, dem früheren Henker im Changi-Gefängnis. Er soll von 1959 bis 2006 fast tausend Menschen exekutiert haben, darunter einmal 18 Personen an einem Tag.
Shadrake hatte sein Buch am Samstag noch im Stadtteil Little India vorstellen können. Einige Tage zuvor hatte die Medienentwicklungsagentur Buchläden angewiesen, das Werk aus dem Sortiment zu nehmen. Eine Sprecherin sagte der örtlichen Straits Times, das Buch sei nicht verboten. Doch behalte man sich vor, darauf hinzuweisen, wenn Publikationen verdächtigt werden, gegen die Gesetze zu verstoßen.
Singapur mit seinen 5 Millionen Menschen hat in Relation zur Bevölkerungsgröße eine der weltweit höchsten Exekutionsraten. Laut Regierung ist Singapur eines der sichersten Länder gerade wegen der strengen Todesstrafe. Kritiker werden oft mit Verleumdungsklagen mundtot gemacht.
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