Autor über "Hackerbrausen" als Kulturgut: Süße Wachmacher für Nerds
Das Buch "Hackerbrause" beschreibt ein Stück Geek-Lifestyle: den Konsum koffeinhaltiger Getränke beim Spaß am Gerät. Mitautor Jens Ohlig über die Ur-Brause und ihre Nachfahren.
taz.de: Herr Ohlig, in Ihrem neuen Buch "Hackerbrause", das Sie zusammen mit Kathrin Ganz und Sebastian Vollnhals verfasst haben, geht es um "Erfrischung für Geeks". Was muss sich Otto Normalverbraucher darunter vorstellen?
Jens Ohlig: Hackerbrausen sind koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, die helfen sollen, die langen Nächte vor dem Monitor zu überstehen. Marketingmenschen sprechen da wohl von "Szenegetränken" - während Brausen mit Wachschattengewächsen für identitäre Nerds so wichtig sind wie das T-Shirt mit schwer verständlichen Insidersprüchen oder das mit Aufklebern zugekleisterte Notebook.
Sind Hackerbrausen ein Kulturgut?
Natürlich! Im Moment vielleicht eher ein Subkulturgut, aber der Trend zu obskuren Limonaden hält an und verstärkt sich. Dabei wird mit Brause auch mehr verbunden als nur Erfrischung. In Berlin hielt Club-Mate in den Neunzigern unter anderem durch die Hausbesetzerkneipen in Friedrichshain Einzug in der Szene und in Hamburg basteln Projekte wie Premium-Cola an einen ökonomischen "Betriebssystem" für eine bessere Welt rund um die Brause: selbstverwaltet und alternativ.
Wir haben vor etwa zwei Jahren angefangen, auf hacker.brau.se über bekannte und unbekannte Getränke zu bloggen. Der Zuspruch, den wir dabei erfahren haben und der letztendlich in unserem Buch komprimiert wurde, zeigte uns: um die heißgeliebte Brause hat sich ein Kult und eine Kultur entwickelt.
In Berlin, das Jahr für Jahr Austraungssort des Chaos Communication Congress ist, scheint sich Club-Mate durchgesetzt zu haben, während man in Amerika eher auf stark koffeinierte Colas wie Jolt setzt. Wie kommt es zu solch regionalen Unterschieden?
Cola ist sicher so etwas wie die Ur-Hackerbrause und immer noch relevant. Club-Mate, die es in Berlin mittlerweile in jedem Späti zu kaufen gibt, ist ein Spezialfall, dessen Ursprung mittlerweile fast im Dunkel der Oral History verschwunden ist. Wir haben aber Freke Over, einen ehemaligen Aktivisten aus der Mainzer Straße, ausfindig gemacht, der uns in einem längeren Gespräch davon erzählte, wie er in der wilden Zeit vor fast 20 Jahren Technoclubs, besetzte Häuser und einzelne Hacker mit Club-Mate zu beliefern begann.
Geht es bei Geek-Getränken vornehmlich um Koffein?
Wach bleiben gehört sicher immer dazu. Aber viele Hackerbrausen-Snobs finden nicht, dass es nur darum geht, dass es knallt - reine Aufputschgetränke mit Taurin und Gummibärchenaroma kommen eher schlecht weg.
Setzen sich auch andere Inhaltsstoffe durch?
Es diversifiziert sich alles ganz schön gerade. Mate, Guarana, Tee und was die Botanik sonst noch hergibt, wurden schon in Brausen verwendet. Neben dem pappsüßen Zucker gibt es auch einen Trend zum "erwachseneren", kräftigeren Geschmack, der einem zunächst die Gesichtszüge entgleisen lässt. Nicht umsonst wirbt beispielsweise Club-Mate mit dem Spruch "Man gewöhnt sich daran".
Ein besonders gesunder Lebensstil ist der Konsum von Zucker und Koffein in hohen Dosen ja eigentlich nicht. Gibt es "gesunde" Hackerbrausen?
Eine rein auf Brause basierende Ernährung ist schrecklich ungesund, leider. Da können wir auch schlecht drumherumreden und in unserem Buch erklären wir auch die ernährungsphysiologischen Grundlagen und Probleme. Allerdings: Ernährung ist mehr als die Aufnahme von trockenen Broteinheiten, sie soll uns auch Spaß machen. Sicher kann der Nährwert von Hackerbrause auch durch das angestrengte Kauen von zwei Scheiben Mischbrot und ein Glas klares Wasser ersetzt werden. Schöner und lustiger hackt es sich aber damit vermutlich nicht.
Es gibt von einem US-Hersteller ein Getränk namens Water Joe, das Quellwasser mit Koffein kombiniert, allerdings in Deutschland mittlerweile nur schwer zu bekommen ist. Wäre das eine Lösung?
Experimente, bei denen mit koffeinierten Wasser oder Zugabe von Guaranapulver getüftelt wird, gehören auf jeden Fall zur Kultur der Hackerbrausen dazu. Aber auch andere Versuche haben wir dokumentiert, etwa den Cocktail "Tschunk" mit Rum, Limetten und gestossenem Eis oder einen leckeren Club-Mate-Kuchen.
Kann man sich seine Hackerbrause auch selbst zusammenrühren?
Na klar. Do it yourself und Basteln gehören eh zur Hackerkultur dazu, also auch das eigene Brauen von Hackerbrause. Auf dem Chaos Communication Congress gibt es dazu auch einen Workshop "Mate-Limo selbstgemacht".
Was unterscheidet Konsumenten von Hackerbrausen von schwerarbeitenden Menschen mit Red-Bull-Sucht?
Im Neoliberalismus optimiert sich letztendlich jeder und jede für die Arbeitswelt auf die eigene Art, das stimmt schon. Vielleicht ist das alles ein Trick, mit dem sich Hacker selbst überlisten. Aber es gehört auch zu dem, was die Persönlichkeit ausmacht: Du bist nicht nur, was du isst, sondern auch, was du trinkst.
Wohin geht der Trend in Zukunft? Mehr Vitamine?
Wenn es so weitergeht, wie es sich in den letzten Jahren abgezeichnet hat, werden wir noch mehr spannende, regionale Kleinstmarken in Limonadenform sehen. Solange gehackt wird, werden dabei auf jeden Fall Brausen konsumiert werden.
"Hackerbrause" erscheint im Dezember im O'Reilly-Verlag und kostet 9 Euro 90.
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