Autor Mankell als Polit-Aktivist: Der aufgebrachte Passagier
Bestsellerautor Henning Mankell ist der prominenteste Gaza-Unterstützer. In seiner Israel-Kritik geht er allerdings zu weit.
Um halb sechs am Montagmorgen kaperten israelische Soldaten das Schiff "Sofia", das zur Free-Gaza-Flotte gehörte. An Bord der "Sofia" war der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell. "Die israelischen Marine enterte mit einer Kommandotruppe unser Schiff", berichtete Mankell am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Kämpfe habe es nicht gegeben, die Passagiere leisteten keinen Widerstand. Die israelische Version, dass die Free-Gaza-Aktivisten die Soldaten mit Waffen empfangen hätten, sei falsch. Auf der "Sofia" hätten die Israelis "eine Waffe gefunden, nämlich meinen Rasierapparat", den die Soldaten prompt als Beweisstück präsentiert hätten. Die israelischen Soldaten seien aggressiv ans Werk gegangen. Ein älterer Passagier sei willkürlich mit einer Elektroschockpistole verletzt worden. Es sei nötig, den Versuch fortzusetzen, die Blockade von Gaza zu durchbrechen. Diesmal, so Mankell, "waren es sechs Schiffe. Was wird Israel tun, wenn wir in einem Jahr mit hundert Schiffen kommen? Uns bombardieren?"
Mankell ist 62 Jahre alt, lebt in Schweden und Mosambik und engagiert sich seit Jahrzehnten für Afrika. Er hat in Maputo ein Theater gegründet, von sterbenden Aidskranken berichtet und in dem Roman "Chronist der Winde" erzählt, wie Straßenkinder leben. Afrika, sagt Mankell, sei seine Heimat.
Der Autor, der mit seinen Wallander-Krimis berühmt wurde, gehört zu einer bedrohten Spezies: der des engagierten Intellektuellen. Was der Westen Globalisierung nennt, sei für die Dritte Welt Gettoisierung, so der Autor. Mankell versucht, die Welt durch die Augen der Ausgeschlossenen zu betrachten, das macht ihn streitbar- vor allem in seiner Kritik an Israel.
Israel hält er für eine Neuauflage des Apartheidregimes und wie dieses für illegitim. Die Gründung Israels 1948 sei "keine völkerrechtlich legitime Handlung gewesen", so Mankell 2009. Damit ging er einen zentralen Schritt über die Kritik von Menschenrechtsgruppen hinaus. Während diese die Besatzungspraxis kritisieren, bestritt Mankell damit das Existenzrecht Israels. Er schaut offenbar von Maputo aus auf den Nahen Osten und sieht dort einen kolonialen Kampf zwischen Eroberern und Unterdrückten. Dieses Bild ist zu einfach. In Berlin versuchte Mankell einen anderen Ton anzuschlagen. Der Hamas stehe er "sehr kritisch" gegenüber. Er sei "kein Antisemit" und glaube an den Dialog und eine gerechte Lösung des Konfliktes.
Was am Montag im Mittelmeer geschah, ist für Mankell klar: "Die israelische Marine hat uns in internationalen Gewässern attackiert. Das ist nichts anderes als Piraterie und Kidnapping." Dafür spricht viel. Mankell wäre ein glaubwürdigerer Zeuge, wenn sein Israelbild differenzierter wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles