Autobrände in Berlin: Nur noch jeder vierte Fall politisch
SPD-Innensenator Ehrhard Körting (SPD) korrigiert die Einschätzung, dass jeder zweite Autobrand linken Extremisten zuzuschreiben ist.
Von den bislang rund 500 Autobrandstiftungen in diesem Jahr gehen deutlich weniger als bislang gedacht auf das Konto linker Extremisten. "Die Motivation bei Brandstiftungen hat sich offensichtlich verändert", sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Nach seinen Angaben war 2012 nur jeder vierte Autobrand politisch motiviert. Die Polizei ging laut Körting von einem Anteil von 50 Prozent aus.
Der Innensenator reagierte mit dieser Korrektur auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux in der Plenarsitzung. Laut Körting gab es 2012 bislang 493 Autobrandstiftungen. 374 Fälle davon, rund drei Viertel, ordnete er als "Gelegenheitstaten, Mutproben oder Versicherungsbetrug" ein.
Zu der korrigierten Einschätzung trug bei, dass die Polizei Mitte Oktober einen Mann festnehmen konnte, der über hundert Autos angezündet haben soll. "Die Hälfte der Fahrzeugbrände, die dieser Mann verursacht hat, hatten wir als politisch motiviert eingeordnet", sagte Körting. Der arbeitslose Mann hatte Frust als Motiv angegeben.
Der Einsatz der Bundespolizei, die ihre Berliner Kollegen seit August unterstützt, kostete das Land laut Körting bis Mitte Oktober wöchentlich rund 280.000 Euro, nicht eingerechnet Unterkunftskosten. In acht Wochen kamen demnach für den Einsatz rund 2,2 Millionen Euro zusammen. Nach Körtings Angaben waren täglich im Durchschnitt 360 Bundespolizisten im Einsatz. Die CDU hatte die Autobrände in den letzten Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September zu einem ihrer zentralen Themen gemacht und linke Extremisten am Werk gesehen. Vor diesem Hintergrund wollte Lux von Körting wissen, ob er denn hoffe, dass sein Nachfolger als Innensenator - mutmaßlich der jetzige CDU-Fraktionschef Frank Henkel - das Thema ähnlich nüchtern und sachlich behandeln werde wie er. Körting, der nach über zehn Jahren als Innensenator aufhört, antwortete, ohne die CDU beim Namen zu nennen: Er glaube, dass "jeder Koalitionspartner der SPD" das genauso sehen werde.
Lux hatte als grüner Innenpolitiker zuvor die Gelegenheit genutzt, seinem parteipolitischen Gegner Körting "meine persönliche Anerkennung für seine Leistungen" zum Ausdruck zu bringen. Körting bleibt nach eigenen Angaben so lange im Amt, bis der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der am 24. November erneut gewählt werden soll, einen Nachfolger ernannt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren