Auszeichnung für Daniel Cohn-Bendit: Das Phantom der Rebellion
Asterix siegt. Der deutsch-französische Publizist und Politiker Daniel Cohn-Bendit wird in Berlin mit dem Prix de l’Académie de Berlin ausgezeichnet.
Was der Unterschied zwischen ihm und Joschka Fischer sei, möchte Regisseur Volker Schlöndorff in einem Gespräch mit Daniel Cohn-Bendit in der Akademie der Künste in Berlin wissen. Der inzwischen 80-jährige Cohn-Bendit antwortet ohne zu zögern: „Ich will keine Macht, ich will Einfluss haben.“
Sein grüner Parteifreund Fischer habe politische Macht ausüben wollen, was auch gut so gewesen sei. Fischer wurde erster grüner Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik. Und Cohn-Bendit?
Blieb lieber Cohn-Bendit. Seine Karrieredaten im Zeitraffer: 1945 geboren als jüdisches Flüchtlingskind in Frankreich, Ikone des Pariser Mai 1968, Ausweisung in die Bundesrepublik, Frankfurter Sponti, Publizist, erster Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten in Deutschland, zwanzig Jahre abwechselnd für deutsche und französische Grüne im Europaparlament.
Mühelos könnte der größte lebende deutsch-französische Rhetoriker breit über Macht versus Einfluss philosophieren. Tut er aber nicht. Lieber alle zwei Minuten einen guten Witz, gerne auf eigene Kosten, sowie eine lebensnahe Anekdote einstreuen. So gewinnt er seit jeher die Sympathie des Publikums, ohne abgehoben oder elitär zu wirken. Dabei hat er die Doktrinären von Links wie Rechts stets im Blick, ist um keinen spontanen Disput verlegen.
Antiautoritäre Linke
Und so wurde auch die Verleihung des Prix de l’Académie de Berlin 2025 in der Akademie der Künste in Berlin diese Woche zu einer überraschend unverkrampften, vom Geist der antiautoritären Linken getragenen Veranstaltung.
Humorvoll und intellektuell präzise auch Sozialdemokratin Gesine Schwan, Präsidentin der l’Académie de Berlin, die mit einem unkonventionell vorgetragenen Grußwort eröffnete. Es bereitete Vergnügen, ihr von Lebensweltlichem bis zu den Unterschieden von Hannah Arendts und Max Webers Machtbegriff zu folgen.
Auch die mit persönlich-biografischen Bezügen gespickte Laudatio auf Cohn-Bendit des Autors und l’Académie de Berlin-Mitglieds, Nils Minkmar, forderte immer wieder zu Applaus und Gelächter heraus. Orte wie Dudweiler und das saarländische Grenzgebiet bergen noch 68er-Geheimnisse.
Minkmar sprach wie die Vorrednerin im Beisein des Schirmherrn von Prix und Veranstaltung, des französischen Botschafters François Delattre.
Optimistisch bleiben
„Soziale Bewegungen sind wie das Meer, es gibt Flut und es gibt Ebbe“, sagte Cohn-Bendit in der Unterhaltung mit Schlöndorff. Und hatte wie andere zuvor auch die dringend gebotene Unterstützung der Ukraine im Blick. Als Menschenfreund wandte er sich wiederholt gegen katastrophisches Denken.
1945 hätte sich auch niemand vorstellen können, dass aus Deutschen und Franzosen jemals Freunde würden. Heute setze er auf die „normative Realität“ der Europäischen Union, die selbst auch regierende Rechte verändere. Siehe, Meloni und Italien. Überhaupt, so Cohn-Bendit: „Die Welt geht nie unter.“
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