Ausweitung der Heroinersatz-Vergabe: Union hat Angst vor der Spritze
Schwerstabhängige sollen den Heroinersatz Diamorphin erhalten können. Alle Städte mit Modellprojekten sind dafür. Die Unionsfraktion stellt sich quer - gegen die CDU-Länder.
Es klingt ganz einfach: Sieben Städte testen seit sieben Jahren, ob es Schwerstabhängigen besser geht, wenn sie unter strenger Aufsicht regelmäßig künstlich hergestelltes Heroin verabreicht bekommen. Alle Modellstädte loben die Wirkung des "Diamorphins". So sehr, dass fünf unionsregierte Länder per Bundesratsinitiative für die Ausweitung des Programms sorgen wollen. Der Haken ist nur: Die eigene CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will dies blockieren. Nun zeichnet sich in letzter Minute eine Mehrheit für einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf ab.
Am Rande einer Anhörung des Gesundheitsausschusses, bei dem es um die Diamorphin-Vergabe ging, zeigte sich Carola Reimann optimistisch. "Wir glauben, eine Mehrheit für unseren Gesetzentwurf auf unserer Seite zu haben", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Der von ihr mitverfasste Entwurf habe die Unterstützung von Abgeordneten der SPD, Grünen, FDP und Linkspartei. Gehe alles glatt, könne der Bundestag das Vorhaben noch im Mai verabschieden.
Damit stellt sich die SPD offen gegen ihren Koalitionspartner, der das Vorhaben verhindern will. Im Kern geht es bei dem Gesetzentwurf um eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, damit Diamorphin als Arzneimittel anerkannt und bei schwer Drogenabhängigen eingesetzt werden darf. Bislang gibt es nur eine Ausnahmeregelung, die für Modellprojekte in sieben Großstädten gilt: in Bonn, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München. In den dortigen Ambulanzen haben seit Anfang 2002 insgesamt rund 1.000 Schwerstabhängige unter strikter Aufsicht dreimal täglich Diamorphin erhalten. Die Vertreter der Modellstädte waren bei der Ausschussanhörung voll des Lobes: Es gebe deutlich weniger Beschaffungskriminalität, die Patienten seien gesünder, und rund ein Drittel von ihnen habe den Weg in Methadon- oder andere Drogenprogramme gefunden. Acht Prozent hätten es sogar in Abstinenzprogramme geschafft.
Bereits im September 2007 brachte eine breite Koalition der Länder Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Saarland und Nordrhein-Westfalen im Bundesrat einen Gesetzentwurf auf den Weg - in allen regiert die CDU. Die Gesetzentwürfe von Bundestag und Bundesrat ähneln einander sehr. Beide sehen vor, auch künftig den Kreis der Diamorphin-Empfänger auf schwerste Fälle zu beschränken: Sie müssen über 23 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren drogenabhängig sein, schwere körperliche und psychische Störungen aufweisen und mindestens zwei Drogentherapien abgebrochen haben. Die Kosten für die Diamorphin-Vergabe sollen die gesetzlichen Krankenkassen zahlen. Boulevardzeitungen machten daraus die Formel vom "Heroin auf Krankenschein".
Die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion Maria Eichhorn hat "erhebliche Bedenken" gegen die Ausweitung der Diamorphin-Vergabe. "Bei diesen Modellprojekten sind die Ergebnisse nicht eindeutig." Eine weitere, vom Bund mitfinanzierte Testphase müsse her. Dazu hat ihre Fraktion im Februar einen Antrag formuliert. Obwohl die Folgen einer Freigabe demnach nicht berechenbar sind, wartet Eichhorn mit Prognosen auf: Bis zu 80.000 Opiatabhängige könnten auf die Ambulanzen zukommen. "Die Folgen für die gesetzlichen Krankenversicherungen und ihre Beitragszahler, die die Kosten tragen müssten, wären unabsehbar", sagte Eichhorn. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung geht von ähnlichen Zahlen aus, die Befürworter der Heroin-Vergabe hingegen von rund 2.000.
Die Modellstädte glauben nicht an einen Sturm auf die Ambulanzen. Im Gegenteil. Ihre Ausgabestelle könne 45 Schwerstabhängige betreuen, sagte bei der Anhörung die Vertreterin Kölns, Marlis Bredehorst. Derzeit seien aber nur 33 Patienten vor Ort. Denn: "Die Zugangsvoraussetzungen sind dermaßen streng."
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