Australische Fußballbegeisterung: Euphoriewellen und Toilettengänge
In Australien wächst die Begeisterung an den eigenen Fußballerinnen, die nun ins Halbfinale einziehen. Das lässt sich an erstaunlichen Statistiken ablesen.
D ie Begeisterungswelle hier in Australien über das eigene Nationalteam ist inzwischen so groß, dass weitere Public-Viewing-Möglichkeiten geschaffen worden sind. John Graham, der Minister für Jobs, Tourismus und vieles mehr, hatte verkündet, dass es im Olympiapark vor der Partie von England gegen Kolumbien eine weitere Gelegenheit geben werde, Australien gegen Frankreich zu verfolgen.
Das ist auch logistisch sehr sinnvoll, denn der Komplex liegt etwa eine Zugstunde außerhalb der Innenstadt von Sydney, wo sich auch die Fanzone der Fifa befindet. Wer also für das Spiel in Sydney ein Ticket besaß, aber Australien auch sehen wollte, hätte sich zusammen mit allen anderen in einem sehr engen Zeitfenster auf den Weg machen müssen – selbst ohne eine mögliche Verlängerung. Auch für mich war das praktisch, die Fifa hatte zwar per Mail mitgeteilt, dass das Medienzentrum im Stadion früher öffnen würde als ursprünglich geplant, aber so eine Partie woanders verfolgen zu können als in einem dann doch sehr sterilen Setting ist definitiv ein großes Plus.
Aber das Event in Sydney war bei Weitem nicht das Einzige. Viele Australier*innen hatten Angst davor, vielleicht einen ganz besonderen Moment zu verpassen. Verabredungen zum Essen wurden verschoben oder abgesagt, es gab Meinungsstücke in Zeitungen dazu, warum man ein schlechter Freund oder eine schlechte Freundin sei, wenn man diese Umplanungen nicht gutheißen würde. Und sogar die anderen großen Sportarten passten ihre Anpfiffzeiten an.
Die AFL, in der Football nach australischen Regeln gespielt wird, hatte zum Beispiel das Spiel des Melbourne Football Club zu Hause gegen Carlton um fünf Minuten nach hinten verschoben, so dass Zuschauer*innen die Partie vorher im MCG auf der Anzeigetafel verfolgen konnten. Etwa 60.000 Menschen wurden bei der AFL-Partie erwartet, die Stadiontore öffneten entsprechend früher.
Ausschlag beim Wasserverbrauch
Und auch auf noch ganz andere Bereiche wirkt sich die Welle rund um die Spiele der Matildas aus. So verkündete ein Sprecher von Melbourne Water, dass es in der Halbzeit der Partie gegen Dänemark einen deutlichen Ausschlag in den Messdaten über die Wassernutzung der Stadt gegeben habe – Toilettengang, Kaffeemaschine, bloß keine Sekunde verpassen. Das Achtelfinale gegen Dänemark war bisher die am meisten gesehene TV-Sendung in Australien des Jahres 2023.
Rund 2,3 Millionen Menschen verfolgten den 2:0-Sieg über das Team rund um Pernille Harder. Doch dieser Jahresrekord ist auf jeden Fall am Samstag wieder eingestellt worden. Das australische Team konnte in einem dramatischen Elfmeterschießen die Frauen aus Frankreich besiegen und zieht nun ins Halbfinale ein.
Die Spiele der Australierinnen werden im Gegensatz zu den meisten anderen Spielen der WM frei empfangbar im Fernsehen gezeigt, ansonsten liegen die Rechte bei einem Streamingdienstanbieter. Das wirft die Frage auf, wie viel größer und vielfältiger die Begeisterung über diese WM im Land noch sein könnte, wenn alle Spiele so leicht zu sehen wären.
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