Ausstellungsgeplänkel: Caritas statt Adidas
■ „Scheißspiel: Wer ist besser arm?“
„Kein Vergnügen“heißt die Ausstellung. Und das ist es sicher nicht: Arm zu sein und ohne Arbeit und auf Sozialhilfe angewiesen und womöglich auch noch alleinerziehend. Aber darstellenswert, haben sich Frauen aus dem Oldenburger Arbeitslose-Frauen-Projekt Donna 45 e.V. überlegt und aktuelle Fotos sowie historische Berichte über Armut von Kindern und Frauen zusammengetragen. Und Zahlen, Zahlen und Zahlen, die die nackte wirtschaftliche Realität widerspiegeln, die Zusammenhänge deutlich machen sollen zwischen Steuerreform und neuer Armut, Rekordprofiten und Rekordausgaben für Sozialhilfe, Familienbild und Abhängigkeit vom Ehemann.
Aber will das wirklich jemand wissen? Die Geladenen aus Politik und Verwaltung sind nicht einmal zur Eröffnung der Wanderausstellung in der Kirche Unser Lieben Frauen, Am Markt, erschienen. Und auch die BesucherInnen stellen sich die Frage: „Was ist an Armut wenn nicht vergnüglich, dann doch wenigstens interessant?“Daß der Anteil der Alleinerziehenden an denen, die Sozialhilfe bekommen, auf ein Drittel angestiegen ist? Daß ebensoviele noch keine 18 Jahre alt sind? Oder daß dieses System ungerecht ist und die Kindergelderhöhung an Sozialhilfebeziehenden vorbei geht, weil sie auf die Stütze angerechnet wird? Schlimm ist das, finden die meisten. Aber sonst?
Mehr gefragt ist Armut konkret: „Drei Streifen Adidas, zwei Streifen Caritas“, rutscht einem vor einem Foto mit Turnschuhen heraus. „Das kennen Sie noch?“wundert sich ein anderer. „Ich mußte als Kind auch immer die billigen Trainingsanzüge tragen.“
Oder als Rechenaufgabe: 133 Mark bekommt ein Kind monatlich vom Sozialamt für Verpflegung. 100 knöpft der Kindergarten einem wieder ab. Und damit ist dann für zwanzig Tage das Mittagessen bezahlt. Und morgens? Und abends? Und am Wochenende? Am Ende des Geldes bleibt noch Monat. 33 Mark für wieviel Tage? „Frühstücken ist eh überflüssig“, rechnet ein Schüler großzügig. „Und abends gibts Brot.“Oder Spaghetti mit Ketchup, stimmt sein Freund zu. Oder so. „Und beim Aldi“– „Oder bei unserem Bäcker, da gibt's Brot von gestern.“
„Scheißspiel“, murmelt ein Bärtiger, der zugehört hat: „Wer kann am besten arm sein.“Gewinnen täten dabei doch immer nur die anderen.
Beate Willms
bis 12.2. in der Elisabethstr. 16/17, 13.-19.2. im Kulturbüro Tenever, Neuwieder Str. 44a
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen