Ausstellung zur Berliner Badekultur: Alltag in der Nasszelle
Im stillgelegten Stadtbad Steglitz erinnert eine Ausstellung an 200 Jahre Berliner Badekultur - und an kuriose Erfindungen wie die Dittmannsche Wellenschaukel.
Der Berliner an sich badet gerne exklusiv: und zwar auf einem Spreeschiff, in einer Wanne an Deck. Er geht auch nicht einfach ins Schwimmbad. Es sei denn, es hat klassizistische Deckengewölbe, wie das Stadtbad Neukölln, oder kommt mit einem Kino, einer Eisbahn und ein paar Kegelbahnen daher, wie einst der Admiralspalast. Und sollte er doch einmal zu Hause in der eigenen Wanne baden, dann muss man mit dieser schon schaukeln können, wie es die Dittmannsche Wellenschaukel ermöglicht.
Baden ist Alltagskultur, und wer die Geschichte des Badens in Berlin erzählt, erzählt die Geschichte der Stadt. So verfährt zumindest die Ausstellung "Stadt - Bad - Fluss. Berliner Bade- und Wasserkultur im Wandel", zu sehen im Stadtbad Steglitz. Seit 2002 ist das Jugendstilbad stillgelegt und in Privatbesitz; nun nutzt es der Berliner "Verein zur Förderung des H2O-Museum", um 200 Jahre Berliner Badegeschichte zu zeigen.
Die Zeitreise beginnt in der ersten von 24 Umkleidekabinen, die sich um den mit einem schmiedeeisernen Geländer abgezäunten Beckenrand drängen. Hier sieht man historische Bilder des Welperschen Badeschiffs, das Anfang des 19. Jahrhundert in der Nähe des Lustgartens auf der Spree schwamm. Namensgeber war der Mediziner Georg Adolph Welper, der den Berlinern in Zeiten, in denen Emaille-Schüsseln und Nachttöpfe im Wohnraum das Badezimmer ersetzten, ein ordentliches Bad ermöglichen wollte.
Auch später standen die hygienischen Aspekte des Badens vor dem Vergnügen, wie man ein paar Kabinen weiter erfährt. So waren die zwischen 1872 und 1914 in den Arbeiterbezirken errichteten Stadtbäder in erster Linie zur Körperpflege gedacht - erst 2005 schlossen die letzten Bäderabteilungen. Während sich in Berlins bekanntester Mietskaserne, dem Meyerschen Hof, 200 Wohnungen 32 "Abtritte" teilten, gingen die Kreuzberger eben ins Baerwaldbad und die Neuköllner und Steglitzer in ihr jeweiliges Stadtbad. Dazu trugen sie baumwollene Badeanzüge, mit denen man auch im Zirkus als Gewichtheber hätte auftreten können, und schworen auf den reinigenden Effekt von grober Kernseife - beides im Original zu bewundern.
Ebenfalls zu sehen sind die bekannten Bade-Bilder Heinrich Zilles, das Jackett, das einst der Bademeister des Strandbads Wannsee trug, oder die Karte mit den schönsten FKK-Badestellen Ost-Berlins. Denn auch in ihrer Badekultur wurde die Stadt geteilt: Während die West-Berliner in den 1970er-Jahren ihre Badezimmer zu Wellnessoasen mit Whirlpools umbauten, freute man sich in Ost-Berlin über die standardisierten 3,43 Quadratmeter, die im Plattenbau für ein Badezimmer eingeplant waren.
So reist man von Kabine zu Kabine durch die Zeit, erfreut sich an der Sammlung historischer Duschköpfe und der Erinnerung, die die wechselnde Bademode wachruft, und lernt Berliner Geschichte. Denn manchmal vergessen die Ausstellungsmacher ihren Bade-Fokus und rekapitulieren nur historische Fakten. Doch zum Thema Baden im Nationalsozialismus hätte man sich etwas mehr gewünscht als den Hinweis, dass die Nazis für die Olympischen Spiele ein Schwimmbad errichteten.
Davon abgesehen hat man sich aber um eine umfassende Beleuchtung des Themas bemüht. So werden in den ehemaligen Duschen mit "Menschen am Sonntag" oder "Ein Kiez sucht Abkühlung" Badefilme gezeigt, Berliner Künstler hat man um ihre Werke mit Badebezug gebeten, und wenn plötzlich "Keine Schrippen im Badebereich" durch die große Halle scheppert, möchte man gleich an den Schwimmbadkiosk laufen und Pommes kaufen.
Bleiben die privaten Badegewohnheiten und damit die angesprochene Wellenschaukel, die im blechernen Original und im Nachbau aus Plastik auf der Galerie zu sehen ist. 1889 meldete Carl Dittmann diese Badewanne mit konvex gebogenem Boden zum Patent an, die es dem Badenden ermöglicht, durch Schaukelbewegungen selbst Wellen zu erzeugen - ein Wellen- und Spaßbad für den Hausgebrauch. Gerade richtig für die anspruchsvollen Berliner Badenden.
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