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Ausstellung in RegensburgRecycling und Reflexion

Kommentar von Gabriele Mayer

Rohe Stoffe, auf die wir scharf sind: In Regensburg werden die "Essl Award"-Preisträger ausgestellt, junge Künstler aus Mittel- und Südosteuropa.

Der 1. Preis in der Kategorie "Ungarn" ging an eine zwölfteilige Serie von Adam Albert. Bild: ostdeutsche galerie regensburg

Einige signifikante Entwicklungen in der Kunstwelt, etwa die zunehmende Prominenz der asiatischen, vor allem der chinesischen Kunst, werfen neue Fragen auf. Zum Beispiel die, ob der unersättliche Kunstmarkt der reichen Industrieländer nur nach frischen Reizen aus der Peripherie lechzt? Nach unverbrauchten Erfahrungen und Erfindungen, nach Personen und Pathos-Formeln, wie sie nur dort entstehen, wo der Alltag vom "Abenteuer" des Überlebens und vom Schmerz der Verluste und Demütigungen gezeichnet ist? Oder ob die Weltkunst nicht länger Westkunst ist?

Es scheint, als bedinge das eine das andere. Wer Anschluss finden will, muss nun einmal die Strategien des Marktes kennen und bedienen - und er kann das am besten, wenn er sein Künstlerleben und die Existenzformen in seinem sozialen Umfeld als rohen, fremden Stoff präsentiert. Exemplarisch zeigt dies die Regensburger Ausstellung des "Essl Award 2007" im Kunstforum Ostdeutsche Galerie mit Malerei, Objekten, Fotografie und Videos der zehn Preisträger aus Tschechien, der Slowakei, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Initiiert wurde der Preis übrigens vom österreichischen Sammlerehepaar Essl. Was auf den ersten Blick wie eine Mischung aus paternalistischer Geste und kolonialistischer Attitüde wirken könnte, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Produkt der Neugier und der Bereitschaft zu einer Kooperation, von der auf Dauer beide Seiten profitieren können.

Bei der osteuropäischen Kunst der beiden letzten Jahrzehnte hat man es - trotz zeitweilig engerer Kontakte in den 60er-Jahren - mit einer nachholenden Entwicklung zu tun. Die lange verpönten Perspektiven und Praktiken der Westkunst werden mal spielerisch, mal mit existenziellem Ernst angeeignet. Die eigenen Arbeiten sind aber nicht einfach Nachahmung, sondern Reflexionen des Vorgegebenen, durchaus brüchige Anschlüsse an die geltenden Standards, Metakommentare zu all dem, was (deutlicher) sichtbar wird, wenn man es aus dem vertrauten Westkontext herausreißt. In das vorgefundene Formenrepertoire hineinmontiert werden die eigene Geschichte, die Reste und Spuren, der Schutt und Müll, den die Umbruchzeit hinterlassen hat und der diese Ostkunst "schwerer" macht, als man es ansonsten kennt.

Ist die Ostkunst jung? Die Preisträger als frische Kunsthochschulabsolventen sind es naturgemäß: "twenty-somethings", die neu anfangen. Man spürt die Frechheit, die Vitalität, die Lust an der "Revolution": an der Verkehrung des Vertrauten. Naiv oder unverbraucht im engeren Sinn sind die Arbeiten aber so gut wie nie. Man recycelt Strategien, aber so, dass vieles einen neuen Dreh bekommt. "Imitation of life" und "imitation of art" sind bei diesen KünstlerInnen nicht Demutsgesten, sondern sie verdanken sich einer Souveränität des zweiten Blicks. Kunst wird so zum Brenn- und Zerrspiegel, das Secondhand und die Medialität von Erfahrungen und Einsichten spielen eine große Rolle.

Selbst unmittelbarste Handlungsformen werden auf diese Weise ironisch und zwingen zum neuen Nachdenken. Die Generation der Väter, von Joseph Beuys bis Peter Weibel, wollte das Kunstghetto sprengen und "hinaus ins Offene", ins soziale Leben und dort direkt politisch oder kulturrevolutionär wirken. Veronika Sramatyová aus der Slowakei führt durch ihre scheinbar parodistische Aktion, die auf Video zu sehen ist, zur Reflexion des routiniert gewordenen Engagements. Die Flugblätter, die sie auf der Straße verteilen lässt, sind leer, sie sagen nichts; die radikale Abwesenheit jeden Sinns wirkt wie ein Schock. Auch bei ihrer anderen Arbeit ist ein zweiter Blick nötig. Scheinbar archiviert sie nur die Flüchtigkeit ihres jungen Lebens, indem sie seriell die verschiedenen Eingänge der Häuser vorführt, in denen sie schon gewohnt hat. Was zunächst wie eine nicht sehr aufregende Fotodokumentation wirkt, erweist sich als subtile Malerei. Der Wechsel des Mediums erzeugt plötzlich eine andere Form der Aufmerksamkeit. Tomas Dzadon aus Tschechien stellt die Frage nach den Traditionen in der neuen Welt und montiert das Alte und das Neue auf bizarre Weise, indem er auf das Dach eines trostlosen Wohnblocks ein schon halb verwittertes Bauernanwesen hievt. Am witzigsten ist jedoch seine Front einer Blockhütte, deren Tor jeder Ausstellungsbesucher passieren muss. Diese Front hat zwei Seiten: die eine besteht aus Holzbalken, die andere aus hellem Plastik. Diese "andere" Seite bekommt der Passant aber nicht zu sehen, weil ein Sensor beim Hindurchgehen dafür sorgt, dass sich die Balken drehen.

Ein Faible für Irritation und Täuschung beweist auch Zlatan Vehabovic aus Kroatien mit großformatigen Ölbildern zwischen Traum und Trauma. Sein überdimensioniertes "My home is nowhere without you" ist aus mehreren kleinen Leinwänden montiert und zeigt trotz des anheimelnden Poptitels einen in Meer und Urweltlandschaft verlorenen Zeitgenossen vor einem weiß verschatteten Mammut: das Negativ von Gespenstern der Vergangenheit, die fragmentarisch unser kollektives Angst-Unterbewusstsein bevölkern.

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