Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus: Sommerliche Impressionen

Eine Ausstellung im Hamburger Ernst-Barlach-Haus spannt mit Papierarbeiten von Liebermann bis Nolde den Bogen vom Realismus zum Expressionismus.

Düsteres zwischen Blumen: Dieser märkische See bei Sonnenuntergang von Lesser Ury ist um 1900 herum entstanden. Bild: Karen Bartsch

HAMBURG taz | Draußen lagern Familien auf dem Rasen und genießen den sommerlich strahlenden Jenisch-Park, drinnen im Ernst-Barlach-Museum finden sich ähnliche Stimmungen: Der Wannseegarten von Max Lieberman leuchtet und am flirrenden Strand spielen Kinder. Doch die in lichten Landschaften und bunten Blumenfarben schwelgende Ausstellung zum deutschen Impressionismus zeigt auch graue Stadtszenen von Lesser Ury.

Sie ist in ihrer Zusammenstellung eher ungewöhnlich: Mit mehr als 100 selten gezeigten Werken deckt sie einen viel größeren Zeitraum ab, als er normalerweise mit der kunstgeschichtlichen Epoche verbunden wird und zeigt auch Aquarelle des Expressionisten Emil Nolde.

Auch fügt sie ihrer nach Themen gehängten Auswahl von 14 Künstlerinnen und Künstlern gleichberechtigt damalige Kunstfotografie hinzu, die Gummidrucke und Bromöldrucke des Innsbruckers Heinrich Kühn. Die Fotografie war zwar von Beginn an Stolz auf ihre Präzision, aber um 1900 wollten die Fotografen dann möglichst malerische, unscharfe und stimmungsmäßige Bilder erstellen, um so als vollwertige Künstler anerkannt zu werden.

Auch ist die wechselseitige Beeinflussung von Malerei und Fotografie wesentlich für den Impressionismus. Denn wenn das Licht imstande ist, durch eine technische Apparatur eigenständig Bilder zu erzeugen, dann muss auch der Maler sich weniger mit den scheinbar realen Dingen befassen. Nicht das, was er zu sehen meint, sollte er erfassen, sondern das Wesen des so wirkmächtigen, stets sich wandelnden Lichts. Und kaum gelingt den Malern das, versuchen auch die Fotografen, mit allerlei Eingriffen und speziellen Materialien mehr zu erreichen, als nur eine präzise Abbildung.

Der damals zuerst nicht positiv gemeinte Begriff Impressionismus für die moderne französischen Pleinair-Malerei stammt vom Titel „Impression, soleil levant“ („Impression, Sonnenaufgang“), das Monet einem 1872 gemalten Bild gab. Er beschreibt eine Kunst, der nicht das Sujet mehr das Wichtigste ist, sondern seine unterschiedliche Anmutung in verschiedenem Licht.

Und wie Monet einzelne Motive zahlreich in anderen Stimmungen wiederholte, so setzt sich, wenn auch über 20 Jahre später, der Hamburger Arthur Illies mit einem – nicht besonders bemerkenswerten – Motiv auseinander: In zahlreichen, damals revolutionären Drucktechniken variiert er farblich bei Tag und Nacht die einfache Hügelform des Falkenbergs im Süden Hamburgs, eines Zungenberges bei Neugraben-Fischbek, auf dem eine Wallburg des 8. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann.

„Die wahre Kunst ist, Unwirklichkeit zu üben“, hat Lovis Corinth gesagt. Indem also statt des Objekts (wie im Realismus) nun der im Licht flirrende, immer andersfarbige Eindruck eines Objekts gemalt wird, gewinnt der subjektive Eindruck des Künstlers an Gewicht. Und von da ist es nur ein kleiner Schritt, gar nicht mehr vom Objekt auszugehen, sondern den Bildzusammenhang aufzulösen und im Bild die ganz subjektive Stimmung Form werden zu lassen: also expressiv zu malen. So erklärt der lange Zeit an der Hamburger Kunsthalle tätig gewesene Kurator Ulrich Luckhardt den relativ späten deutschen Impressionismus zu einem experimentellen Übergang zur Moderne. Und da alle Künstler in ihren Papierarbeiten experimenteller sind als in großen Ölgemälden, kommt diese erstmalig für die „Internationalen Tage Ingelheim“ zusammengestellte Auswahl zustande.

„Man muss die Natur abkürzen. Durch Vereinfachung wird man stark“, zitiert die Ausstellung den Worpsweder Maler Otto Modersohn zu seinen reduzierten Moorlandschaften, Nachtszenen und Sturmstimmungen. Und am Ende verblüfft die schon 1908 im Winter bei Jena aquarellierte Reihe von sieben Meisterblättern Emil Noldes: „Sonne über Schneematsch“ ist eine Orgie schmutziger Farbmischungen und die „Weiden im Winter“ sind kaum mehr als drei verwaschen verlaufende senkrechte Pinselstriche auf viel leerem Bildgrund, dem grünliche, orangene und eine blaustrahlende Waagerechte einen Horizont geben.

„Von Liebermann bis Nolde. Impressionismus in Deutschland auf Papier“: Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr. Bis 21. September, Ernst-Barlach-Haus, Jenisch-Park, Baron-Voght-Straße 50a, Hamburg. Katalog 224 Seiten, 200 Abbildungen, gebunden, Hatje Cantz Verlag, 29,80 Euro.
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.