Ausstellung „Geschlechterkampf“: Mit Schwert und Scheide
It’s a Man’s World! Und die Frau schlägt zurück: Die Ausstellung „Geschlechterkampf“ in Frankfurt/M. erzählt davon mit verstörenden Werken.
Dem Besuch einer Sonderausstellung im Städelmuseum geht stets ein Parcours voraus, der einmal durch die halbe Dauersammlung und schließlich die Treppen hinab nach ganz unten führt. Diese Dramaturgie ist angesichts des Ausstellungsthemas Geschlechterkampf schon dermaßen hübsch symbolisch aufgeladen, äquivalent der psychoanalytischen Vorstellung, nach der man zum Innersten, tief Verschütteten vordringen möge, dass sie entweder purer Zufall oder volle Absicht sein muss.
Der Weg hinab ist gepflastert von Zitaten, die von Gendermainstreaming und Gleichstellungsgesetzen, vom #aufschrei und von althergebrachten Rollenbildern handeln. Dass die Frau seit 200 Jahren immer Opfer sei und der Mann immer Tier, wird dort zitiert. Es geht also ums große Ganze. Braucht es dazu eine Einführung?
Der ständige Drang zur Kontextualisierung ist allgemein eine nervige Eigenart des Ausstellungsbetriebs: Als ob Kunst nicht mehr auskomme ohne die Versicherung, dass dieses oder jenes Thema unbedingt auch mit der heutigen Lebenswelt eines jedes Einzelnen zu tun habe. Im Sinne der Ausstellungsdramaturgie ist diese Einführung zwar durchaus gerechtfertigt. Und wer würde die Relevanz vom Geschlecht und seinen jeweiligen Zuschreibungen leugnen? Die elementare Härte, die den Ausstellungsbesucher gerade im ersten Teil der nun folgenden Zusammenstellung trifft, findet ihr real-konkretes Pendant heute dann aber schon eher in den frauenverachtenden sowie – vernichtenden Gräueltaten von Boko Haram als in der zitierten Diskussion zum Beispiel über bundesdeutsche Gleichstellung.
„Geschlechterkampf – Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ ist eine Erzählung in zahlreichen Akten und Stereotypen, beginnend im ausgehendem 19. Jahrhundert und so endend, dass der konservative Backlash noch in einiger Ferne liegt. Den Auftakt macht das ewige Motiv der Verführung des Adam durch die Eva: Sie als Schlangenweib, mal Lilith, mal Medusa, den unbefleckten Mann ins Reich des Animalischen mitreißend. Eine Fotografie von František Drtikol zeigt die ambigue Vagina, gleichsam Geburt wie Tod bringend. Die titelgebende Schlacht speist sich aus blanker Angst und rasender Lust, und gekämpft wird reichlich: mit Schwertern, Klauen, Phalli. Mit Blicken und Schönheit.
Morbider Abstieg
Redliche Herren lassen sich verführen, mit fatalen Folgen. Der Mann, ein Tier seit 200 Jahren? Unsinn! Während der wahlweise halb Gott oder gleich dessen Ebenbild ist, bleibt die Frau „ganz und gar Tier“ oder, wie Philosoph Weininger 1903 deklarierte, ein „Symbol des Nichts“.
Die Kuratoren haben furchtbar lustige und grässlich verstörende Werke zusammengestellt, den jeweiligen gesellschaftlichen Tendenzen und ihren in Kunst übersetzten Zerrbildern lose folgend. Weithin Bekanntes steht neben Werken, die man hier neu entdecken kann: So den grandiosen Zeichenzyklus von Jeanne Mammen, der hier zum ersten Mal ausgestellt wird. Künstlerinnen sind insgesamt weniger vertreten, was selbstredend der Zeitgeschichte geschuldet ist.
Bis 19. März, Städel Museum. Frankfurt/Main, Katalog (Prestel Verlag) 39,95 bzw. 49,95 Euro
It’s a Man’s World! Aber die Frau, sie schlägt zurück: Manchmal gar, wie in der pubertär düsteren Grafik von Aubrey Beardsley, mit einem echten, Pardon, Riesenpimmel, der den Penisneid in männlicher Variante konterkariert. Während nebenan die weiße Frau Angstschreie auf der Flucht vor King Kong ausstößt, setzt sich der morbide Abstieg fort: So kann man der verstörenden Balz zweier prächtiger Vögel um eine nackte Frau zuschauen, changierend zwischen Sodomie und Symbolismus. Eine Mädchenlolita thront auf einem Berg aus toten Verführten, während im Netz der weiblichen Spinne schon die Gebeine ihrer Beute baumeln.
Oben wird es optisch heiterer: Man ist froh, dem Höllenschlund wieder entkommen zu sein. Sind die Motive deshalb weniger verstörend? Nein: Heinrich Maria Davringhausen zeigt, wie der Lustmord in Neuer Sachlichkeit ausschaut. Elfriede Lohse-Wächtler, die wenig später von den Nazis ermordet wird, malt die Tat noch im Entstehen, die Fratze des Täters bedrohlich näherkommend. Erst hier ist der Mann Täter im Sinne der Erzählung, wird Gewalt an der Frau nicht allein durch deren bösartige Verführungskraft gerechtfertigt. Statt Bibel, griechischer Antike und E.T.A. Hoffmann-Romanen werden nun aktuelle Phänomene wie der Lustmörder zum Motiv, nüchtern, farbenfroh, grausam ätzend als Radierung von Otto Dix.
Geliebte nachgebaut
Hochgradig verstörend auch die Fotografien von Kokoschkas Alma-Mahler-Puppe mit Flauschbeinen und strengem Strickgesicht, die der Künstler als Abbild seiner ehemaligen Geliebten anfertigen ließ. Und dann Schattenwelt und Prostitution, in deren Diskurs sich bis heute auf beiden Seiten der enttäuschte Moralist zeigt: Die Hure als Objekt und Opfer, die Frau als Heilige und Hure – nur die Mutter fehlt in dieser Schau.
Gesellschaftliche Umbrüche bahnen sich den Weg durch die Ateliers und auf Leinwand, Film und Foto: Wie viel sich in wenigen Jahren verändert! Der Mann, er ist bald ein ganz anderer, lässt sich offen mit Nagellack und tiefroten Lippen porträtieren.
Die Fotografin Lee Miller setzt geschlechtliche Archetypen mit neuer Spielfreude ins Bild: Penisfelsen, den eigenen Kopf unterm Glassturz (ein beliebtes Motiv jener Zeit), eine leibhaftig amputierte Brust auf dem Essteller. Und Claude Cahun deklariert bereits in den 1920er Jahren die völlige Geschlechtslosigkeit, respektive „das Neutrum“ für sich: Ihre Collagen illustrieren das Prinzip, demzufolge sich ausnahmslos jeder den anderen zur Projektionsfläche mache.
Auf weniger Verwirrung zwischen den Geschlechtern darf man bis zum Schlussakt in Form einer Maria-Martins-Skulptur und der obligatorischen Frida Kahlo, Ikone des Instagram-Feminismus, nicht hoffen. Künstlerisch ist ihr Werk dabei nicht einmal das interessanteste in dieser bombastischen Erzählung von Sex und Gewalt, Eros und Thanatos, Schwert und Scheide, Kunst und Emanzipation, Alpha und Omega.
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