Aussperrung von Journalisten von G20: Sogar die CSU regt sich auf
CSU-Innenexperte Mayer sieht „Handlungsbedarf“, Justizminister Maas fordert Aufklärung über den Datenmissbrauch beim BKA vor dem G20-Gipfel.
Das Bundesinnenministerium hatte am Mittwoch eingestanden, dass mindestens vier Journalisten Anfang Juli die Akkreditierungen für den G20-Gipfel in Hamburg zu Unrecht entzogen worden waren. In keinem der Fälle soll der Fehler allerdings beim BKA selbst gelegen haben. Vielmehr sollen andere Behörden auf Bundes- und Länderebene verantwortlich sein.
Insgesamt waren in Hamburg 32 Journalisten die Akkreditierungen entzogen worden. Eine ARD-Recherche ergab nun, dass allein in der BKA-Fallgruppe zur inneren Sicherheit derzeit 109.625 Menschen und mehr als eine Million Datensätze zu Delikten gespeichert sein sollen, was eine Debatte über womöglich massenhafte illegale Datenspeicherung auslöste.
Mayer sagte am Donnerstag, den aufgedeckten Fehlern müsse nun „sehr akribisch und sehr sorgfältig“ nachgegangen werden. Niemand solle sich aber „in irgendwelchen Spekulationen ergehen, dass es hunderttausendfachen oder millionenfachen Missbrauch gibt von Daten durch das BKA oder durch andere Sicherheitsbehörden“, warnte der CSU-Politiker.
Bundesregierung kündigt Entschuldigung an
In vier der insgesamt 32 Fälle stehe der Fehler fest, ein fünfter Fall dürfte hinzukommen, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin. Bei allen anderen Fällen sei „nach derzeitigem Stand“ aber ordnungsgemäß verfahren worden. Das Ministerium bedauere die inakzeptablen Fehlentscheidungen. Für die Bundesregierung kündigte Vize-Sprecherin Ulrike Demmer eine Entschuldigung bei den Betroffenen an.
Während des von schweren Gewalttaten begleiteten G20-Gipfels Anfang Juli in Hamburg war den Journalisten nachträglich die bereits erteilte Akkreditierung entzogen worden. Neun Journalisten klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht und wollen feststellen lassen, dass die Maßnahme rechtswidrig war. Vor allem sollen Daten unzulässig gespeichert worden sein, obwohl sie hätten gelöscht werden müssen.
Das Bundesinnenministerium betonte, es habe kein „einheitliches Fehlermuster“ gegeben. In einem Fall liege eine Personenverwechslung vor, in anderen Fällen seien Daten zu Unrecht nicht gelöscht oder etwa ein Freispruch nicht vermerkt worden, sagte der Sprecher. In keinem der Fälle seien die Fehler beim Bundeskriminalamt (BKA) selbst, sondern bei zuliefernden Behörden geschehen.
Neues IT-System in Arbeit
Eine BKA-Sprecherin erklärte, zu einzelnen Fällen könne sie sich nicht äußern. Grundsätzlich seien die Daten in einer Verbunddatei verschiedener Behörden gespeichert, für die Qualität sei der jeweilige Ersteller des Datensatzes zuständig. Natürlich gebe es aber immer wieder Überprüfungen durch Datenschützer. Zudem arbeite man an einem neuen IT-System, bei dem man auch die Datenqualität weiter erhöhen wolle.
Auch das Bundesinnenministerium sieht hier Handlungsbedarf. Als Konsequenz aus den Fehlern müsse der Umgang mit Daten bei Polizei und BKA verbessert und stärker vereinheitlicht werden, sagte der Sprecher. Das sei ein längerfristiger Prozess, der bereits begonnen habe.
Justizminister Heiko Maas
Nach einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios könnte das BKA millionenfach falsche oder rechtswidrige Daten gespeichert haben. Justizminister Heiko Maas (SPD) sprach von „schwerwiegenden Vorwürfen“ und forderte eine sorgfältige Aufklärung. „Ganz klar: Unnötig gespeicherte Daten schaffen nicht mehr, sondern weniger Sicherheit“, sagte er der ARD. Das BKA erklärte, die von der ARD gezogenen Schlüsse über das Ausmaß stimmten so nicht.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sprach von einem „Abgrund an Datenmissbrauch“ und forderte Aufklärung. Journalisten seien Berichterstatter und nicht kriminelle Straftäter. Für deren Erfassung gebe es keine Grundlage, sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall.
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