Außenpolitikbeauftrage der EU Ashton: Und sie kann doch was
Vor einem Jahr begann EU-Außenpolitikerin Catherine Ashton ihre Arbeit. Trotz Parallelstrukturen, Kommunikationswirrwarr und Eitelkeiten gewinnt sie an Profil. Eine Bilanz.
BRÜSSEL taz | Catherine Ashton führt einen komplizierten Titel. "Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik" steht auf ihrem Namensschildchen. Wer nimmt sich schon Zeit für so ein Wortungetüm? Der König von Saudi-Arabien zum Beispiel. Er muss Ashton so nennen, wenn er auf Staatsbesuch ist, und er tut es auch, weil es das Protokoll so verlangt. Umgekehrt redet Ashton ihn mit "Eure Hoheit, Bewahrer der zwei Moscheen" an.
Catherine Ashton wird überall in der Welt empfangen. Staatschefs und -oberhäupter schütteln ihr die Hände, manchmal ist auch ein Handkuss drin. Aber damit ist es auch schon vorbei mit den Streicheleinheiten. Baroness Catherine Ashton, 55, in den Adelsstand erhobene Labour-Politikerin, muss sich seit ihrer Ernennung zur verkappten EU-Außenministerin vor knapp zwei Jahren harsche Kritik gefallen lassen.
Sie sei nicht kompetent, ja sogar unsichtbar auf der internationalen Politikbühne, wurde ihr von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt aus dem Europäischen Parlament vorgeworfen. Mittlerweile arbeitet der Auswärtige Dienst, sozusagen ihr Außenministerium, seit gut einem Jahr, und so langsam gelingt es der Britin, echte Politik zu machen.
Mitarbeiter: Der Euopäische Auswärtige Dienst hat insgesamt 3.684 Mitarbeiter. 1.610 von ihnen arbeiten in Brüssel, der Großteil sitzt in den Delegationsbüros in der ganzen Welt. 172 Deutsche arbeiten für Catherine Ashton. Das sind verhältnismäßig wenig, wenn man bedenkt, dass Deutschland das bevölkerungsreichste Land der EU ist. Auch bei den Führungspositionen liegt Deutschland zahlenmäßig nur an vierter Stelle. "Das ist keine Böswilligkeit von Ashton. Das liegt daran, dass Deutschland es versäumt hat, entsprechende Diplomaten auszubilden", rügt der CDU-Europa-Abgeordnete Elmar Brok.
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Stellvertreter: Die Deutsche Helga Schmid ist Stellvertreterin von Ashton. Sie hat vor ihrem Wechsel nach Brüssel bereits als Beraterin für die deutschen Außenminister Klaus Kinkel und Joschka Fischer gearbeitet und war seit 2006 im Kabinett von Ashtons Vorgänger, dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana, tätig.
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Budget: Der EAD hatte 2011 ein Budget von etwa 464 Millionen Euro, was allerdings nicht kostendeckend ist. Für 2012 ist eine Erhöhung auf 490 Millionen Euro geplant. Zugleich will Ashton sparen. Sie hat ihre Delegationen angewiesen, die laufenden Kosten um 10 Prozent zu senken, zum Beispiel mit günstigeren Dienstwohnungen und einer Reduzierung von Dienstreisen. (rr)
Erfolgreich vertrat Ashton die Europäische Union Ende September bei der UN-Vollversammlung und gab dem Nahostquartett neue Impulse. Sie reiste mehrfach nach Nordafrika und sorgte dafür, dass die EU in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi ein Büro eröffnet und damit ihre Unterstützung der Rebellen klar gemacht hat.
Zurückhaltendes Lob
"Sie hat sich inzwischen eingearbeitet. Sie könnte noch forscher auftreten, aggressiver. Aber das ist nicht ihr Stil", sagt der Europa-Abgeordnete der SPD, Wolfgang Kreissl-Dörfler, über Ashton. Auch der außenpolitische Sprecher der konservativen Fraktion, Elmar Brok, hat mittlerweile Lob für Ashton übrig: "Natürlich könnte sie noch mehr machen, aber sie macht ihre Sache schon ziemlich gut."
Ashton hat Profil entwickelt, tritt selbstbewusster auf und gerade im Umgang mit den Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen hat sie für die EU-Politik Akzente gesetzt. Allerdings hat sie es nach wie vor schwer, sich durchzusetzen. "Das Hauptproblem ist, dass ihr 27 Außenminister und Regierungschefs Konkurrenz machen. Die Mitgliedsstaaten wollen nicht wirklich etwas abgeben vom Kuchen, und wenn Angela Merkel Nein zu etwas sagt, dann kann Ashton einen Handstand machen, und es passiert trotzdem nichts", sagt EU-Parlamentarier Wolfgang Kreissl-Dörfler.
Ashtons Amt - Resultat des Vertrags von Lissabon - war von Anfang an umstritten. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich mit der britischen Politikerin, die zuletzt Vorsitzende des Oberhauses gewesen ist, eine Person ausgesucht, von der sie annahmen, dass sie den nationalen Diplomaten keine allzu große Konkurrenz machen würde. "Joschka Fischer wäre ein geeigneter Kandidat gewesen. Aber da hat Guido Westerwelle es mit der Angst gekriegt. Den wollte er nicht neben sich haben", sagt Kreissl-Dörfler.
Deshalb muss Ashton den nationalen Diplomaten jeden Kompromiss abtrotzen. Dabei geht viel Energie und Zeit verloren, die Ashton in ihre eigentliche Arbeit investieren sollte. Denn zu tun gibt es genug. Sie muss sich um die Revolutionen in Nordafrika kümmern, mehr Druck auf das Regime in Syrien bewirken, den Nahost-Friedensprozess voranbringen, mit Serbien über das Kosovo verhandeln und versuchen, die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko aus dem Gefängnis zu holen. Diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist praktisch unmöglich.
Verteilt auf acht Standorte
Dazu kommt, dass der Auswärtige Dienst noch immer nicht voll funktionsfähig ist. Einige Stellen sind nach wie vor unbesetzt. Die Behörde wird zu gleichen Teilen von der EU-Kommission, dem Rat und mit nationalen Diplomaten aus den Mitgliedsländern besetzt. "Die Menschen müssen sich erst kennen lernen, aber auch die Datensysteme müssen angepasst werden. Das dauert seine Zeit", sagt Ashtons Sprecher Michael Mann. Nicht einmal im gleichen Gebäude sitzen die Mitarbeiter zurzeit, sondern sie sind über acht Standorte in Brüssel verteilt.
Noch schwieriger ist die Kommunikation mit den Delegationen der Europäischen Union in Drittländern. Dort gehört oft die Hälfte des Personals zur Europäischen Kommission, die andere zum Auswärtigen Dienst. "Es herrscht Misstrauen. Meine Kollegen bei der Kommission in Brüssel wollen ihre Informationen nicht mit den Leuten vom Auswärtigen Dienst teilen. Ich sitze zwischen den Stühlen, das kann sehr unangenehm sein", sagt ein Mitarbeiter aus einer Delegation in Osteuropa, der anonym bleiben will.
Wenn er von der Kommission aus Brüssel Informationen bekommt, weiß er, dass sein Delegationschef, der nicht der EU-Kommission, sondern Ashton unterstellt ist, die Informationen zwar bräuchte, Brüssel sie ihm aber lieber vorenthalten würde. Er muss dann entscheiden, auf welche Seite er sich stellt. "Das macht meine Arbeit kompliziert", sagt er.
Ab 2012 soll zumindest in Brüssel mehr Zusammengehörigkeitsgefühl herrschen. Dann wird der gesamte Auswärtige Dienst in ein gemeinsames Gebäude umziehen. Bis dahin soll die Informatik funktionieren und auch die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern. Und dann kann sich Ashton endlich ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Europas Außenpolitik koordinieren. Das ist schwer genug.
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