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Ausschreitungen in ThailandWarten auf die entscheidende Schlacht

Gespenstische Ruhe in Bangkoks Geschäftsviertel: Nach dem Verstreichen des Ultimatums will die Armee die Proteste gewaltsam auflösen. Die Rothemden verbarrikadieren sich.

Thailändische Soldaten patroullieren in Bangkok nach Ablauf des Ultimatums an die Rothemden. Bild: dpa

Bei den Barrikaden in der Henri-Dunant-Straße ist ein schmaler Spalt offen: Die Wachen der Rothemden winken die Leute durch, signalisieren aber jedem: Sei auf der Hut, hier kann jeden Moment etwas passieren. Hinter dem Wall aus Bambusstöcken, Autoreifen und Steinkübeln ist Rothemdengebiet. Am Montag sind es immer noch mehrere tausend Demonstranten, die der Hitze, dem Gestank und ihrer eigenen Angst trotzen: der vor einer Niederschlagung durch die Armee.

Zelte, Planen und Matten, mobile Toiletten und kleine Garküchen ziehen sich entlang einer Straße, die eigentlich als eine der schicksten Einkaufs- und Hotelmeilen in Bangkok gilt. Eingequetscht zwischen zwei Luxuskaufhäusern, steht der Tempel Wat Pathum Wanaram. Hier haben etliche Ältere, Frauen und kleine Kinder Zuflucht gesucht, nachdem die Regierung am Sonntag klargemacht hatte: Bis Montagnachmittag, 15 Uhr Ortszeit müssen die Rothemden das von ihnen belagerte Viertel verlassen haben. Ansonsten wird die Armee die Proteste gewaltsam auflösen. Auch der Wat-Pathum-Wanaram-Tempel liegt an der "roten" Meile. Aber die Menschen hoffen, dass die Soldaten wenigstens nicht bis hierher vordringen, sollten sie tatsächlich kommen. Ihre roten T-Shirts tragen die meisten Protestler mittlerweile nicht mehr - aus Sicherheitsgründen.

Gerade biegt Niramoon Thanagoon um die Ecke der Klostermauer, eine schmale Frau in grauem T-Shirt. Sie weint heftig. "Viele unserer Freunde sind bereits getötet worden, warum kommen uns die UN nicht zur Hilfe?", fragt die 64-Jährige. "Was geht in den Köpfen unserer Regierung vor? Wir wollen einfach nur Frieden, und das bedeutet Demokratie."

Sie spricht mit wachsender Verzweiflung: "Wir sind doch keine Terroristen oder Idioten, als die die Regierung uns hinzustellen versucht." Bitter setzt sie hinzu: "Thailand wurde immer das Land des Lächelns genannt, jetzt ist es das Land der Tränen."

Außerhalb der Klostermauern geht die Demonstrationsmeile weiter. Die Haupttribüne ist nur wenige Gehminuten entfernt. Die Tribüne hatten die Roten Anfang April errichtet; seitdem halten sie den Geschäftsbezirk besetzt. Es ist heiß und feucht an diesem Montag, trotzdem harren die Menschen weiter aus - darunter auch Frauen, die nicht in den angrenzenden Tempel flüchten wollten. Einige heben die Hand, machen das Siegeszeichen. "Vielen Dank, dass Sie gekommen sind!", ruft eine Frau ausländischen Journalisten zu.

Auf der Bühne sprechen nacheinander zwei der führenden Köpfe der Vereinigten Front für Demokratie gegen Diktatur (UDD), wie sich die Roten offiziell nennen. Es sei das Recht der Menschen, für Demokratie zu kämpfen, sagen Jaran Ditapichai und Weng Tojirakarn. Haben sie keine Angst davor, dass die Armee anrücken könnte? "Nein", sagt Weng Tojirakarn, "und ich bleibe hier bei meinen Leuten." Der Mediziner führte 1973 Studentenproteste gegen Thailands Militär an; er weiß, wovon er spricht. "Ich habe auch keine Angst, verhaftet oder getötet zu werden, denn ich will nicht in einem Land leben, in dem Ungleichheit und Ungerechtigkeit herrschen."

Auf der Straße schräg hinter der Bühne hocken zwei Männer auf Truhen. Einer der beiden sieht zu Tode erschöpft aus und so verbittert, als habe er alle Hoffnung verloren. "Wisst ihr, was heute morgen passiert ist?", fragt er. "Seh Daeng ist tot." Er zeigt die SMS-Nachricht, die auf seinem Handy eingegangen ist. Der "Rote Kommandeur" (siehe Artikel unten) war vor wenigen Tagen in den Kopf geschossen worden. Ein Rothemden-Sprecher vermutet, dass ein Armeescharfschütze diesen Auftragsmord begangen hat - was das Militär bestreitet. Vor allem innerhalb eines radikaleren Flügels der Roten hatte Seh Daeng, mit richtigem Namen Khattiya Sawasdipol, viele Bewunderer.

Außerhalb von "Red Shirt City" finden Kämpfe statt. Die abgeriegelten Straßenzüge gleichen einer Geisterstadt. Dennoch dröhnen durch die für Bangkok ungewöhnliche Stille immer wieder Schüsse und Einschläge schwerer Feuerwerkskörper - so auch an der Rama Vier, einer nahe liegenden Verkehrsader. Dort schießen seit Tagen Soldaten auf eine Gruppe von Rothemden und deren Unterstützer, die selbst gebaute Raketen und Steinzwillen abschießen. Die Armee feuert mit Gummigeschossen und Schrot, aber auch mit scharfer Munition. Die Roten stecken Barrikaden aus Autoreifen in Brand. Der dichte schwarze Rauch vernebelt die Sicht - er ist über weite Teile der Stadt zu sehen. Die Gewalt hat Bangkok im Griff.

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11 Kommentare

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  • MG
    Marco Grandmann

    Obwohl ich im Prinzip mit Haegar's Kommentar einverstanden bin sollten doch abgesehen von einigen faktischen Fehlern ein paar Dinge klargestellt werden die zum Teil!!! diesen Konflikt erst herbeigefuehrt haben:

    1) der gegenwaertige Premier ist nicht gewaehlt sondern kam nach der vor 1 1/2 Jahren stattfindenden Flughafenverbarrikadierungder Gelbhemden per "default" in seinen Sitz. Die danach zu erwartenden Wahlen fanden nict statt.Das ist die groesste Schwaeche hier.Der Ruf nach Wahlen also durchaus gerechtfertigt, aber....

    2) daraus folgerte die Opposition der Rothemdchen , dass sie das gleiche Spiel auch spielen kann und die gegenwaertige Regierung aus dem Amt erpressen kann. Der Unterschied ist hier, dass Rothemden meist aus den unbebildeten und untersten Schichten stammen und oft recht gewalttaetig, in jedem Fall aber voellig ignorant sind. Land des Laechelns ??? Mann, wo leben diese Reporter manchmal. Um Demokratie geht es gar nicht sondern darum was Thaksin im Sinne der Volksmobilisierung allen versprach : Freibier fuer die Armen, um dann moeglichst die Brauerei in den Griff zu bekommen.

    3) Thaksin ist wohl per Coup abgesetzt worden, hatte aber inzwischen einen relativ fairen Prozess zu dem er auch anwesend war,nicht wegen Politik sondern wegen Korruption und Amtsmissbrauch. Nur war er nicht willens die fuer ihn unangenehmen Konsequenzen zu tragen und in den Knast zu gehen,sondern hat sich schnell abgeseilt und von aussen per Videoansprachen ohne Widerspruch seine Hetzen abgelassen.

    4) Tatsache ist aber auch, dass die Grundlage des Konflikts eine sehr langfristige Auseinandersetzung zwischen altem und neuem Geld ist und eigentlich nur darum geht wer am naechsten am Reistopf sizt.Rechte fuer die Armen sind dabei allenfalls Lippenbekenntnisse oder Nebenerzeugnis, auf allen Seiten.

    5) wenn die Armen und Unterprivilegierten irgendwo allerdings eine Chance haben wollen, eine echte Chnace, liegt diese bei dem Jetzigen Premier und dessen Demokratischer Partei. Allerdings ist die Voraussetzung allen voran eine Umwaelzung des wohl beschissensten Bildungssystems Asiens nicht als Sofortmassnahme moeglich, dazu fehlt einfach der Wille . Dies ist uebrigens von Thaksin und den rotgekleideten Chaoten auch nicht geplant, die sind eher im Lager der sehr konservativen Traditionalisten mit "Krengchai" u s w.Ich spare mir die Erklaerung.

    6) Last not least : egal wo man in dieser Sache steht , es kann von keiner Hemdenfarbe angehen, dass ein ganzes Land sich noetigen laesst, Anwohner der Roten Gebiete quasi terrorisiert werden , Geschaefte gepluendert und zerstoert und unter anderem auf Hotels und Banken geschossen wird, Boembchen gelegt und andere spassige Dinge. Irgendwie und iregendwann muss der Staat eingreifen wenn dies auch schmerzhaft ist. Verhandlungen sind unmoeglich mit Leuten wie Jatuporn oder dem zu Recht erschossene Exgeneral. Es geht hier gar nicht um Links, rechts, Arm oder reich sondern allein darum wer von den Jubgs bald mal an die Kasse darf. Leider wie immer begreift das keiner der dort mit Kind und Kegel rote Faehnchen schwenkt und sich beschiessen laesst.

    Das gleiche haette vor 1 1/2 Jahren bei der Erpressung der gegensetzlichen Regierung durch die Gelbhemden gegolten, fand aber auch nicht statt wegen der gleichen Konstellation. Loyalitaet zum Statt von der Exekutive existiert hier nicht, nur Fraktionsloyalitaet zum jeweiligen Fuehrer.

    7) von Rechts wegen muesste gegen Thaksin wg. Aufhetzung zum Buegerkrieg ein Internationaler Haftbefehl ergehen apropos "Kaempfen bis auf's Blue, etc."Wir sind hier nicht in Burma und im grunde geht es allen nicht schlecht und in den vergangenen 20 Jahren hat sich auch das System bewegt, langsam aber dies ist Asien. Dieser aber sitzt irgendwo bequem, spielt Golf, isst gut und hetzt solange bis eine ihm gegenueber sympatisierende Regierung dran ist um zurueckzukehren, begnadigt zu werden und alles wieder von vorn anzufangen. Hofft er.Inzwische ist der Tourismus beim Teufel, Thailand kann seine Staatsanleihen nicht loswerden und allmaehlich gehen auch die Auslandsinvestoren spazieren, das alles ficht ihn und seine Kumpels nicht an.

    Chok Di.

  • RK
    Roland Kroeger

    Ein entsetzlich schwacher Bericht von Herrn Glass. Wer sind die "Rothemden" und wer handelt hier wie und warum? Wir lernen nichts, aber auch gar nichts aus diesem Stimmungsbericht, den man im englischen auch als "pointless" bezeichnen koennte. Adieu investigativer Journalismus ...

  • J
    jürgen

    Fakten sind 1.:

    Die letzten Wahlen wurden von der PPP gewonnen, eine Nachfolgepartei der Thai rak Thai.

    2.: Der gewählte Premier Somchai wurde wegen Teilnahme

    an einer Kochsendung mit 5 jährigem Politikverbot bedacht.

    3.: Die PPP wurde mit Verfahren überzogen und über 100 weiteren Ageordneten das Mandat entzogen, bis die parlamentarische Mehrheit weg war, der Koalitionspartner der Demokraten wurde gekauft.

    Wahl ist Wahl, oder nicht?

    Es gibt noch weitere Punkte, die zeigen, das es sich nicht um eine Demokratie handelt, sondern um ein Feudalsystem handelt und die meisten Roten sind schlicht und einfach die benachteiligten, deren Töchter teilweise die Sextouristen bedienen müssen, um über die Runden zu kommen, aus deren Reihen rekrutieren sich auch die `königstreuen Farangs' die Eliten verdienen derweil gut an all dem.

    Thaksin hin oder her, nicht alle Roten sind Thaksin-Anhänger, sondern einfach rebellische Jugendliche und Ältere, wie diejenigen, die einst in Europa für Gerechtigkeit auf die Strasse gingen, davon eine Partei wie unsere Grünen z.B. zu akzeptieren, ist die Elite von Thailand weit entfernt.

    Die Leute wollen Gerechtigkeit, das ist ihr gutes Recht.

  • SA
    Siegfried Ammer

    Thaksin ist meiner Wissens sehr krank. Er hat Krebs und will sich vieleicht noch mal selbst hochziehen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Ein sehr guter Artikel, aber der Kommentar vorn heagar ist reine Hetze. Obwohl ich das Land nie sah, nehme ich ,nicht erst seit gestern, regen Anteil an dem was in Thailand geschieht. Offenbar ist diesem heagar völlig entgangen, das der jetzige Regierungschef nur an die Macht gelangte, weil eine Partei umgeschwenkt ist. In zivilisierten Staaten gibt es dann Neuwahlen. Und wenn schon heagars Hauptargument nicht stimmt, was soll man dann von all dem anderen Geschwurbel halten? Fakt ist: Militär das auf das eigene Volk schießt, begeht, genau wie die, die Mord- Befehle erteilen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich hoffe diese militarisierten Dreckskerle wissen, wo Den Haag liegt! Wir wollen sie vor dem internationalen Gerichtshof sehen.

  • R
    Richard

    Es ist laut internationaler Konvention ausdrücklich verboten, auf unbewaffnete Demonstranten zu schiessen. Hier geschieht Unglaubliches und die Welt sagt mal wieder nichts. In einer Demokratie könnte so etwas niemals durchgehen ! Das ist reiner Mord ! Man bereite eine Anklage in Den Haag vor und verhafte die Verantwortlichen, sobald sie sich einmal im Ausland sehen lassen.

  • J
    Justice

    Es ist laut internationaler Konvention ausdrücklich verboten, auf unbewaffnete Demonstranten zu schiessen. Hier geschieht Unglaubliches und die Welt sagt mal wieder nichts. Das ist reiner Mord ! Man bereite eine Anklage in Den Haag vor und verhafte die Verantwortlichen, sobald sie sich einmal im Ausland sehen lassen.

  • H
    haegar

    bitte ignorieren sie, was ich vorher geschrieben habe. ich bin ein depp.

  • C
    Claus

    Quellen or didn't happen.

  • G
    Gabriel

    Ich habe mich mit der Thematik nicht annähernd so eingehend beschäftigt wie du, aber all die von dir angeführeten Argumente dem Premie seine "Amtszeit zu geben," rechtfertigen in meinen Augen nicht im entferntesten, dass Menschen die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlung, grundlegene demokratische Rechte, mit scharfer Munition, vermutlich sogar gezielt getötet werden! In einer Demokratie entscheidet das Volk, so ist das nunmal und dagegen kann sich auch ein Premie nicht verwehrern. Ich weiß gerade leider nicht, wie es aktuell um die Popularität des Premies steht?

  • H
    haegar

    Warum prügeln sich Rothemden mit Gelbhemden und dem Militär in Thailand? Ganz einfach: jeder, der seinen Pass abgibt, um für die Rothemden zu Demonstrieren, erhält 1000 Baht (rd. 18 Euro) pro Tag- sehr viel Geld in Thailand, wo das durchschnittliche Monatseinkommen bei etwa 150€ liegt- wenn man denn einen Job hat. Wer bezahlt das? Der Miliardenschwere Expremier Thaksin Shinawatra- geschätztes Vermögen etwa 24 Miliarden Euro- der mit Schimpf und Schande aus dem Land gejagt wurde- auch als Berlusconi Asiens benannt. Der, der durch Grundstücksspekualtionen Milionen Doller gemacht hat- der, der den Asiasatteliten an Thaiwan verhöckert hatte, obwohl er ihm gar nicht gehörte. Der, der 1 Woche vor dem Deal ein Gesetz erlassen hatte, wonach auf solche Geschäfte keine Steuern zu zahlen sind. Der, der den Drogen den Kampf ansagte und in 3 Monaten 4500 Tote produzierte, Kinder und Frauen inclusive. Der, der in 5 Jahren sein geschätzes Vermögen verzehntfachte und die angeblich abgestellte Korruption in nie gekannte Höhen trieb. Was will nun der Sohn eines Chinesischen Seidenhändlers? Es kann nur gemutmaßt werden- verlorenes Selbstwertgefühl? Die Schande der Offenlegung seiner Machenschaften, hinlänglich auch als " Gesichtsverlust " bezeichnet? Niemand weiß dass, außer ihm selbst. Klar ist- er ist stinkreich und ist wohl willens, die Reste seiner " Thai Rak Thai" (Thais lieben Thais)-Partei neu auferstehen zu lassen- koste es, was es wolle. Fakt ist auch- der derzeitige Premiermenister ist rechtens gewählt- so gebe man ihm doch bitte seine Amtszeit!