Ausschreitungen in Nicaragua: Straßenkampf um Wahlsieg
Das Ergebnis der Wahlen in Nicaragua ist noch strittig. Anhänger der Regierung haben in Managua den Anspruch auf einen Wahlsieg mit Gewalt verdeutlicht.
WIEN taz Bald zwei Wochen nach den Kommunalwahlen in Nicaragua steht ein offizielles Ergebnis noch aus. Während die in der Liberalen Allianz formierte Opposition Wahlbetrug reklamiert, demonstriert die Basis der regierenden Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) in Managua, "um den Wahlsieg zu verteidigen". Die Straßen der Hauptstadt füllten sich am Mittwoch mit sandinistischen Sympathisanten, größtenteils aus der Provinz zusammengetrommelt. Teilweise vermummt und mit Waffen ausgerüstet, versuchten sie die Protestdemonstrationen der Liberalen Allianz in Schach zu halten oder zu verhindern. Bei Zusammenstößen wurden ein Mann getötet und mehrere Menschen verletzt, darunter vier Journalisten - je zwei von regierungsfreundlichen und regierungskritischen Medien.
Letzten Sonntag musste eine Manifestation der Liberalen in León, der zweitgrößten Stadt des Landes, abgesagt werden. Aktivisten wurden im Parteilokal von bedrohlich aufmarschierenden Sandinisten regelrecht belagert und am Verlassen des Gebäudes gehindert. Eduardo Montealegre, Spitzenkandidat für das Bürgermeisteramt in Managua, konnte gar nicht kommen. Er wurde schon 40 Kilometer vor Managua an einer Straßenblockade zur Umkehr gezwungen. Einer seiner Leibwächter erlitt eine Schussverletzung.
Die FSLN-Aktivisten fordern vom Obersten Wahlrat die Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses. Nach vorläufigen Daten hat sich die FSLN in 106 von 146 Gemeinden durchgesetzt. Die Liberalen kommen auf Grund der Beobachtungen ihrer Wahlordner allerdings zu anderen Ergebnissen und fordern die Neuauszählung Stimme für Stimme. Montealegre legte zahlreiche Beispiele für Unregelmäßigkeiten vor. In einem Wahllokal etwa seien nach seinen Dokumenten 101 Stimmen für die Liberalen und 82 für die FSLN abgegeben worden. Gemeldet wurde das umgekehrte Ergebnis. In einem anderen Lokal, wo die Auszählung 95:81 zugunsten der Liberalen ergeben hätte, habe der Wahlrat 281:5 für die FSLN registriert. Die Opposition verlangte darauf eine Neuauszählung, der Roberto Rivas, Präsident des Obersten Wahlrats, allerdings nur für Managua zustimmte.
Als Vertreter der EU empfahl Frankreichs Botschafter der Regierung, bei der Neuauszählung jene unabhängigen Beobachter beizuziehen, die während der Wahlen nicht zugelassen wurden. Präsident Daniel Ortega selbst, der im Wahlkampf allgegenwärtig war, hat sich bisher zum Wahlergebnis nicht geäußert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung