piwik no script img

Ausschluss von Mi­gran­t*in­nenEin Senat, der Berlin und seine Kultur nicht mag

Ausgerechnet bei der Diversitätsförderung in der Kultur wird nun gestrichen. Gebildete Mi­gran­t*in­nen im Theaterfoyer passen nicht ins Bild der CDU.

Erfolgreich für mehr Teil­ha­be: ­Fes­ti­val zum Thema Kunst und Behinderung Foto: Andi Weiland/Gesellschaftsbilder

U nsere Theater und Museen stehen mitten in der Stadt, werden von uns allen finanziert und müssen deshalb auch für alle zugänglich sein. Es gibt also sehr gute Gründe, warum Programme zur Antidiskriminierung, Barrierefreiheit und Diversitätsentwicklung für die Berliner Kultur ins Leben gerufen wurden. Diese Stadt und ihre Menschen sind nach wie vor weitaus vielfältiger als ihr Kulturbetrieb.

Ausgerechnet in diesem Bereich wird nun nicht nur gekürzt, sondern gestrichen. Die Impact-Förderung wird abgeschafft. Der Diversitätsfonds fördert „kunstschaffende Berliner Personen und Gruppen, deren künstlerische Perspektiven im Kulturbetrieb bisher unzureichend repräsentiert sind“. Die gleichen Gruppen sind immer noch unzureichend repräsentiert. Eine Fördermöglichkeit haben sie nun nicht mehr.

Aus diesem Topf wurden in den letzten Jahren zahlreiche Projekte von behinderten und tauben Künst­le­r*in­nen sowie anderen Marginalisierten gefördert. Auch die „Diversitätsoffensive“ wird es nicht mehr geben. Hier wurden Re­fe­ren­t*in­nen­stel­len für Antidiskriminierung und Diversitätsentwicklung an Kultureinrichtungen finanziert. Die Einrichtung Diversity Arts Culture ist der zentrale Akteur, wenn es darum geht, Vielfalt zu stärken, Kunst und Kultur für alle zugänglich zu machen und Diskriminierung im Kulturbetrieb abzubauen. Das Workshop- und Weiterbildungsangebot für Kulturschaffende ist beeindruckend breit und innovativ. Die erhobenen Studien, Glossare und gesammelten Informatio­nen sind klar auf Nachhaltigkeit und strukturelle Tiefenwirkung ausgelegt. Diese Investitionen verpuffen zu lassen, ist schlicht verschwenderisch.

Den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses sei ein Blick auf die Website empfohlen. Da kann man sehen, wozu Berlin in der Lage ist, wenn an den richtigen Stellen Menschen sitzen, die wirklich etwas bewegen wollen und dann auch mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden. Diversity, Arts, Culture muss man als erfolgreiches Modellprojekt bezeichnen. Mit Strahlkraft weit über Berlin hinaus, wenn man sich die zahlreichen Solidaritätsbekundungen ansieht, die die Einrichtung seit Bekanntwerden der zerstörerischen Kürzungen und der geplanten Abwicklung der Trägerstiftung erhält.

Bewusster Ausschluss

Die Streichungen sind eine Entscheidung, ein bewusster Ausschluss sogenannter Minderheiten. Erfolge linker Kulturpolitik werden zunichtegemacht. Denjenigen, die unter dem Rechtsruck am meisten leiden, werden Möglichkeiten zum Ausdruck und zur Selbstermächtigung genommen. Wer darf Teil dieser Gesellschaft sein? Wer findet Gehör? Wer bekommt eine Bühne? Heute wird mal wieder Mi­gran­t*in­nen und deren Kindern die Teilhabe an der Stadtgesellschaft erschwert. Morgen – nein: am selben Tag wird sich darüber beschwert, sie würden sich nicht ordentlich integrieren.

Nun passen inspirierte, gebildete Mi­gran­t*in­nen und Ausländerkinder, die sich angeregt in einem Theaterfoyer unterhalten, nicht ins Bild der CDU, die doch so gern die Migration für alle Probleme verantwortlich macht, um von sozialen Fragen abzulenken. Dieser Senat möchte die plurale Gesellschaft nicht. Es wirkt, als könne er einen großen Teil der Ber­li­ne­r*in­nen noch nicht einmal leiden.

Das bisschen Kultur, das bleibt, wird gerade noch eine weiße Oberschicht erreichen. Für die Kinder und Enkelkinder der Gastarbeiter*innen, die diese Stadt geprägt haben, ist in den Theatern und Museen immer noch kein Platz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Habe die Berliner Opernhäuser, Theater, Museen etc. nach dem Studium ab dem Jahre 1995 mehr als ausreichend besucht, als das Opernticket noch 20 Mark kostete. Trotz für die Kultur billigster Preise, konnte ich über die Jahre nur sehr wenige Menschen mit Migrationshintergrund (ich ausgenommen) entdecken. Warum etwas fördern, was nur so wenig genutzt wird?

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Wie kommt man dazu, eine vernunftbasierte fiskalpolitische Entscheidung als Absage an die kulturelle Vielfalt darzustellen?

    Weshalb werden linke Projekt automatische als erfolgreich dargestellt, obwohl es trotz jahrelanger Ausgaben heute immer noch Integrationsdefizite gibt?

    Warum wird bei dieser Litanei nicht gehörig mit erwähnt, dass einige leistungsempfangende „Kulturorganisationen“ in dieser Stadt sich als Horte „israelkritische“ Antipathien entpuppt haben?

    • @Michaela Dudley:

      Genau so ist es....