Auslieferung von Waffenlobbyist Schreiber: "Stoiber muss seine Aussage fürchten"
Kanada hat den Waffenlobbyisten Schreiber an Deutschland ausgeliefert. Er könnte Ex-Ministerpräsident Stoiber belasten, vermutet ein langjähriger leitender bayrischer Steuerbeamter.
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taz: Herr Schlötterer, empfinden Sie Genugtuung darüber, dass der Steuersünder und Franz-Josef-Strauß-Spezl Karlheinz Schreiber ausgeliefert wurde und dem Haftrichter vorgeführt wird?
Wilhelm Schlötterer: Genugtuung nicht. Aber ich erhoffe mir von der Vernehmung, dass weitere Details über die Machenschaften und die mutmaßliche Selbstbereicherung der Strauß-Clique ans Licht kommen.
Wer muss Schreibers Aussagen heute noch fürchten?
Die Erben von Franz Josef Strauß und diejenigen, die ihn verherrlichen und dem Volk die Wahrheit über ihn vorenthalten. Aber auch eventuell Edmund Stoiber. Er war ja das zweite Ich von Strauß - und zu dessen engsten und langjährigen Freundeskreis zählte Karlheinz Schreiber.
Glauben Sie, dass die Auslieferung Schreibers sich auch deswegen so lange verzögert hat, weil man das Verfahren behindert haben könnte?
Ich halte das durchaus für möglich. Ich habe oft persönlich erlebt, wie Verfahren von Steuersündern behindert wurden, die gute Beziehungen hatten. Und ich kenne viele weitere Fälle. Zum Beispiel die Behinderungen, die der Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier bei seinen Ermittlungen gegen Max Strauß, Holger Pfahls und Dieter Holzer erfahren musste.
Was wird der Prozess bringen?
Es könnte sein, dass Schreiber persönliche Schuld einräumt und dafür mit einer glimpflichen Strafe davonkommt. Ein solcher Deal führt nicht zur Aufklärung. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Schreiber über Hintermänner und Zusammenhänge schweigt. Auch im letzten Prozess gegen Dieter Holzer in Augsburg ist nicht aufgeklärt worden, warum Holzer dem Pfahls die Flucht ermöglichte und ihn danach mit massiven Geldmitteln unterstützte.
Im bayerischen Finanzministerium unter Strauß haben Sie aus nächster Nähe erfahren, wie Steuerhinterzieher von der Spitzenpolitik begünstigt wurden. Wären solche Verflechtungen heute noch möglich?
Es gibt Hinweise darauf, dass solche Strukturen noch immer bestehen. Zum Beispiel der Fall der Betriebsprüferin Ingrid Meier, die 1997 festgestellt hatte, dass der Nürnberger Rüstungskonzern Diehl Veräußerungsgewinne nicht korrekt versteuert hatte. Sie wurde in ihrer Arbeit massiv behindert, von der Prüfung abgezogen und schlecht beurteilt, obwohl sie vorher als exzellente Beamtin galt. Das war in der Amtszeit von Edmund Stoiber. Seniorchef des Rüstungskonzerns war Karl Diehl, ein enger Strauß-Freund. Und im Sommer 2008 hat sein Sohn Werner Diehl den bayerischen Verdienstorden erhalten - von Ministerpräsident Günther Beckstein.
INTERVIEW: STEFAN KUZMANY
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