Auslandssemester soll Pflicht werden: EU-Stipendien helfen nur Reichen
Ein Auslandssemester mit dem Erasmus-Programm ist für Arme und Studenten aus Osteuropa nur schwer bezahlbar. Trotzdem will der EU-Bildungskommissar es zur Pflicht machen.
Doris Pack ist eine einflussreiche Europaabgeordnete. Sie hat der EU-Kommission schon manche Million für die Bildung abgetrotzt. Als Pack jüngst aber eine studentische Praktikantin hatte, lernte sie die raue Wirklichkeit des Studentenlebens kennen. 80 Euro zahlt die EU der Studierenden pro Monat, um mit einem Erasmusstipendum ein Semester in Belgien zu verbringen. "80 Euro Stipendium", fragte Pack am Donnerstag auf einer Konferenz über akademische Mobilität in Brüssel, "wohin wollen sie damit gehen?"
Die Teilnehmer der Konferenz im EU-Parlament, zu der die ehemalige Luxemburger Kultusministerin Erna Hennicot-Schoepges und das Universitätsnetzwerk Campus Europae eingeladen hatten, blickten konsterniert drein. Schon die 200 Euro Stipendium, die der Richtbetrag der EU für ein Gaststudium sind, reichen nicht für den Lebensunterhalt im Ausland. Aber wenn die Hochschulen, welche die Erasmusgelder vor Ort verwalten, wie in diesem Beispiel einen Studienzuschuss unter mehreren Studenten aufteilen, wird daraus ein soziales Problem.
"Erasmus ist durch die Hintertür ein Eliteprogramm geworden - ein Programm, da sich nur leisten kann, wer Geld hat", sagte Pack. Ein schwerer Konstruktionsfehler, findet sie. Die Tür nach Europa müsse endlich auch Studierenden geöffnet werden, die sich das heutige Erasmus nicht leisten können.
150.000 Studierende in Europa machen sich alljährlich mit dem Stipendienprogramm Erasmus auf Studientour quer durch Europa. Das sind 0,8 Prozent der europäischen StudentInnen - noch viel zu wenige, wie auch EU-Bildungskommissar Jan Figel sagte. Der Slowake Figel gestand ein, "dass es richtig ist, mehr für Studenten aus benachteiligten Familien zu tun." Um den Austausch zu fördern, will er die Regeln für die Bachelor- und Masterstudiengänge ändern. "Die Hochschulen sollten die Dauer der Bachelorstudien auf vier Jahre anheben", sagte der Kommissar, "damit für die Studenten mehr Raum ist, um ein Gastsemester im Ausland zu verbringen."
Notfalls will Figel den Studierenden sogar mit sanftem Zwang Beine machen. "Wir empfehlen den Universitäten, einen Studienaufenthalt im Ausland für alle Masterstudiengänge quer durch Europa verpflichtend zu machen", sagte Bildungskommissar Figel.
Die Studienförderung Erasmus ist dieses Jahr 20 Jahre alt geworden. Sie begann 1987 mit etwas über 3.000 Wanderstudenten und liegt derzeit bei 150.000 Studierenden jährlich. Freilich bringt das magere Stipendienprogramm wegen seiner geringen monatlichen Höhe einen eklatanten Nachteil - für Studierende aus Osteuropa. Ein französischer Student kann mit Erasmus in Polen ganz gut leben - ein Pole aber bekommt mit Erasmus keinen Fuß auf den Boden, wenn er etwa in Paris oder London studieren wollte.
Bildungskommissar Figel empfahl ausdrücklich das Uni-Netzwerk Campus Europae als Gegenmodell, das er "Erasmus plus" nannte. Die beteiligten Hochschulen liegen zwischen dem irischen Limerick und dem italienischen Trient, zwischen Aveiro in Portugal und Lódz in Polen - aber der Schwerpunkt des Austauschs ist in Osteuropa. Dort kommt das Gros der Gaststudenten her. Sie müssen bei Campus Europae in mindestens zwei fremden Ländern Kurse belegen. Dann können sie einen eigenen europäischen Studienabschluss erwerben.
Wie erfolgreich Campus Europae ist, feixte der polnische Studentensprecher Krzysztof Kaluzny, "können sie daran sehen, dass die portugiesischen Studenten dabei Serbisch gelernt haben."
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