: Ausländer sollen nur Beirat geben
■ SPD-Kompromiß zum Beiräte-Gesetz: Direktwahl auch für AusländerInnen ab 1991, aber kaum erweiterte Kompetenzen / Beiräte bleiben "beratende Verwaltungsausschüsse" / Einstimmiges Veto möglich / DAB-Meinung
20.000 ausländische BremerInnen, die seit mindestens fünf Jahren im Land sind, werden 1991 zum ersten Mal ein Kreuzchen auf einen bundesdeutschen Wahlzettel malen können. Damit sollen sie über die Stärke der deutschen Parteien in den Ortsamtsbeiräten mitbestimmen. Doch während SPD -Fraktionschef Claus Dittbrenner gestern eine Broschüre mit Einzelheiten zu diesem von der Mehrheitsfraktion geplanten Bremer Ausländerwahlrecht präsentierte, wurde gleichzeitig der SPD-interne Kompromiß bekannt, nach dem die ab 1991 direkt gewählten Beiräte auch künftig nur den Status beratender Verwaltungsausschüsse behalten sollen. Sie sollen ausdrücklich „keine Kommunalparlamente“ werden, wie es denn auch in der Broschüre heißt.
SPD-Fraktionschef Dittbrenner feierte den eigenen Vorschlag gestern als „ersten Schritt hin zu totalem Wahlrecht für Ausländer.“ Für Parlamente mit tatsächlichen Entscheidungsbefugnissen sei dieses jedoch erst nach einer Verfassungsänderung möglich - entweder per Zwei-Drittel -Mehrheit im Bundestag oder einstimmig im Bremer Landesparlament. Doch immerhin könnte nach dem SPD-Vorschlag Bremen das erste Bundesland werden, in dem AusländerInnen überhaupt ein Wahlkreuzchen machen dürfen.
Noch im Juni hatten drei SPD
Beiräte mit einem eigenen Gesetzentwurf deutlich erweiterte Kompetenzen für die Beiräte gefordert. Nicht nur eigenständige Entscheidungen über die im Stadtteil auszugebenden Mittel, sondern auch die Zuständigkeit für Bebauungspläne, Straßenbau und Umweltschutz sollten ihrer Meinung nach von der Stadtbürgerschaft an die Beiräte übertragen werden, die damit zu echten kleinen Kommunalparlamenten
würden.
Doch in ausgiebigen Debatten der vergangenen drei Wochen stutzte die SPD-Fraktionsführung die Forderungen der Beiräte auf einen Kompromiß zurück: Die lokalen Gremien bleiben formal beratende Ausschüsse, ihre Rechte werden jedoch etwas erweitert. Mit einem einstimmigen Beschluß sollen sie künftig Entscheidungen der Verwaltung stoppen können. Über den Kon
fliktfall muß dann die Stadtbürgerschaft entscheiden. Außerdem soll die Verwaltung künftig eine „Informationspflicht“ gegenüber den Beiräten haben. Vergißt sie diese, wird die entsprechende Verwaltungsentscheidung unwirksam. „Es gibt erhebliche Defizite beim Abarbeiten von Beiratsbeschlüssen in der Verwaltung“, gab Dittbrenner gestern zu und hoffte, daß mit der künftigen Regelung schneller auf die Wün
sche vor Ort reagiert werde.
Auch Angelika Pensky vom Beirat östliche Vorstadt, die im Juni zu den AutorInnen des alternativen Gesetzentwurfes gehörte, zeigte sich gestern versöhnlich: „Wir wollten ja als SPD-Beiräte nicht die Revolution ausrufen.“ Allerdings sieht sie noch „eine kleine Unstimmigkeit“ zwischen SPD -Beiräten und -Fraktion: Bei der Umsetzung des jetzt erzielten Kompromisses in ein neues Gesetz sollten noch einmal alle Möglichkeiten geprüft werden, weitere Rechte von der Stadtbürgerschaft auf die Beiräte zu übertragen. „Wir gehen davon aus, daß wir da noch ein paar Zuständigkeiten bekommen“, hofft Pensky.
Innensenator Bernd Meyer, dessen eigener Referentenentwurf in Sachen Beiräte mit dem SPD-Kompromiß vom Tisch ist, konnte den neuen Vorschlag gestern noch nicht kommentieren Dittbrenner hatte ihm die Broschüre noch nicht geschickt. „Der hat jetzt sowieso andere Sorgen“, begründete der Fraktionschef. Und auch für die betroffenen AusländerInnen hält die in 3.000er Auflage gedruckte Broschüre ein wenig hoffnungsvolles Zitat bereit: „Ausländer haben gewählt und es ist nichts passiert“, wird ein dänischer Abgeordneter nach der dortigen Einführung des AusländerInnen-Wahlrechts zitiert.
Dirk Asendorpf
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