Ausgestempelt: Clicken statt stapeln
■ Noch mehr E-Government in Bremen: Das digitale Mahnverfahren ist da
„Zu einem unserer größten Kunden entwickelt sich im Moment die Bremer Straßenbahn. Das muss wohl an den verstärkten Kontrollen liegen“, sagt Karen Buse, Vizepräsidentin des Bremer Amtsgerichts. Für die vier Beschäftigten und die Rechtspflegerin in der Mahnstelle heißt das, Bescheide zu erstellen: Stempel greifen, ausholen und ihn auf den Bescheid krachen lassen. Das Verfahren kostet Zeit und ist nicht unaufwändig. Der Gläubiger muss zum Gericht, einen Vordruck holen und ausfüllen. Name des Gläubigers drauf, Name des Schuldners, bei der BSAG also des Schwarzfahrers.
Der Vordruck geht an das Amtsgericht. Die Justizmitarbeiter prüfen die Identitäten von Mahner, Bemahntem und den angemahnten Sachverhalt. Stempel drauf, Bescheid wegschicken, stapeln. Kommt ein Widerspruch, geht es weiter. Prüfen, Stempel drauf, erneuten Bescheid verschicken oder Verfahren einstellen. Neuen Stapel eröffnen. Alte Stapel im Auge behalten, damit die Verjährungsfristen nicht überschritten werden. Manches blieb liegen, zur Freude der Bemahnten. Der Raum, in dem all das noch bis zum Jahresende stattfindet, macht dem Namen Amtsstube alle Ehre. Berge von grünen Mahn- und gelben Vollstreckungsbescheiden türmen sich auf den altertümlichen Schreibtischen. Blatt, Stempel, weg, Stapel. Blatt um Blatt, Stapel über Stapel.
Es hat sich bald ausgestapelt. Bremen, auch sonst Spitze in Sachen E-Government, also der Abwicklung von Verwaltungsakten über das Internet, führt zum Jahresbeginn eine weitere elektronische Innovation ein: die digitale Bearbeitung aller Mahnbescheide. Die stadteigenen bremen-online-services (bos) entwickelten gemeinsam mit der phinware AG Düsseldorf ein Verfahren, mit dem im günstigsten Fall ein Großrechner die Bescheide vollautomatisch erstellt. „Das Verfahren richtet sich vorrangig an Großkunden. Für Einzelkunden stellen wir eine zweite Variante zur Verfügung, die über interaktive Formulare hilft, Fehler bei der Eingabe zu vermeiden“, erklärte Andreas Bovenschulte (bos). Der neue Akt elektronischen Regierens setzt beim Benutzer allerdings ein Peripheriegerät voraus. „Der Kunde benötigt ein Lesegerät und eine Chipcard mit einer elektronischen Signatur. Die E-Unterschrift entspricht den Richtlinien des Signaturgesetzes“, sagte Bovenschulte. „Gegen Attacken von Hackern wären wir allerdings genauso wenig gewappnet wie Microsoft“.
Die Justiz spart aufgrund der kürzeren Bearbeitungszeiten etwa zehn Mark pro digital bearbeitetem Mahnbescheid. Im Moment gibt es bis zu 60.000 Mahnverfahren im Jahr, mit denen ungefähr 1,5 Millionen Mark an Strafgebühren in den Stadtsäckel gespült werden. Die erwarteten Einsparungen liegen zwischen 200.000 Mark (Buse) und 600.000 Mark (Finanzsenator Hartmut Perschau) pro Jahr. „Das hängt davon ab, wie viele Bürger auf das neue Verfahren umsteigen“, so Bremens oberster Schatzmeister. Zivilrechtlerin Buse rechnet damit, dass bis zu 60 Prozent beim Personal gespart werden kann. „Die eingesparten Mitarbeiter sollen in unterbesetzte Dienststellen gehen“, sagte sie.
Die genauen Kosten für die Umstellung mochte Perschau nicht beziffern. „Sechs Bundesländer haben aber bereits zugesagt, unser System zu übernehmen“, sagte Bovenschulte. Der Finanzsenator ergänzt: „Kostenpflichtig“
tg
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