Auschwitz-Prozess in Lüneburg: Wegen Krankheit unterbrochen
Die Verhandlung gegen den „Buchhalter von Auschwitz“ fand nicht statt. Gröning fühlte sich nicht gut. Noch ist unklar, wann es weitergehen kann.
HAMBURG taz | Das Landgericht Lüneburg hat die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen SS-Unterscharführer Oskar Gröning unterbrochen. „Aus gesundheitlichen Gründen konnte der Angeklagte am Donnerstag nicht erscheinen“, sagte Gerichtssprecherin Frauke Albers. Sein Hausarzt und ein vom Gericht beauftragter Gerichtsmediziner sollen ihn nun untersuchen und klären, wie und ob weiter verhandelt werden könne. Es gebe bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte seinen schlechten Zustand nur simuliere.
Seit dem 21. April muss sich Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verantworten. Zum Prozessbeginn hielt der Staatsanwalt Jens Lehmann ihm vor, in Auschwitz das Tötungsgeschehen unterstützt zu haben, indem er für die SS das Geld der Häftlinge annahm und nach Berlin weiterleitete. Gröning räumte eine „moralische Mitschuld“ ein.
Bereits am Mittwoch musste der Vorsitzende Richter Franz Kompisch die Verhandlung vorzeitig am Mittag beenden, da Gröning sich nicht wohlfühlte. Zuvor hatte der 90-jährige Ted Bolgar, der heute im kanadischen Montreal lebt, seine Ankunft in Auschwitz geschildert. „Ich habe mir gewünscht, dass sie uns so menschlich behandeln wie ihre Schäferhunde“, sagte er aus.
Ebenfalls am Mittwoch lehnte Kompisch einen Antrag des Nebenklagevertreters Cornelius Nestler ab, der den früheren Frankfurter Staatsanwalt Eberhard Galm als Zeugen vorladen wollte. 1985 hatte Galm nach sieben Jahren Ermittlungen entschieden, kein Verfahren gegen Gröning, den sogenannten „Buchhalter von Auschwitz“, zu eröffnen. Mit diesem Zeugen wollte Nestler auf das zögerliche Verhalten der deutschen Justiz aufmerksam machen, ehemaligen Angehörigen der SS den Prozess zu machen.
Bisher hält Kompisch daran fest, die Verhandlung gegen Gröning wie geplant am kommenden Dienstag fortzusetzen. Sollte der Prozess länger als drei Wochen unterbrochen werden, müsste das Verfahren laut Gerichtssprecherin von vorn beginnen – auch die Zeugen müssten erneut aussagen.
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