Ausbildungsplätze: Das Mantra von der Flexibilität
Auch die neuesten Zahlen belegen es wieder: Die Zahl der Ausbildungsplätze sinkt. Die Politik aber redet lieber über die angeblich so unbeweglichen Jugendlichen.
Wenn Politiker Sätze formulieren wie „Das zeigt die große Bereitschaft der Wirtschaft“ oder „Die Hälfte der Jugendlichen will KfZ-Mechaniker werden“, ist Vorsicht geboten. In der Regel geht es dann um das Ungleichgewicht auf dem Ausbildungsmarkt – und das Mantra ist stets dasselbe: Die Schulabgänger müssen flexibler werden, sich mehr anstrengen, qualifizieren. So war es auch am Mittwoch bei „Berlins größter Jobmesse“ in der Station Berlin am Gleisdreieck, wo Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und der Chef des regionalen Arbeitsamts (BA), Dieter Wagon, ihre Bilanz des Ausbildungsjahrs 2013 präsentierten.
Die Arbeitslosenquote in Berlin lag im Oktober bei 11,2 Prozent - 0,1 Prozentpunkte unter dem Wert vom September. Im Vergleich zum Oktober 2012 sank die Quote um 0,5 Prozentpunkte auf nun 201.812 Arbeitslose. Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) nannte dies am Mittwoch eine "erfreuliche Nachricht": Es sei der niedrigste Wert seit 19 Jahren.
Der Chef des regionalen Arbeitsamts wies darauf hin, dass der Rückgang im Oktober saisonüblich sei. Saisonbedingt sei auch ein Gutteil der rund 7.300 neuen Stellenangebote, etwa im Bereich Winterdienste.
Übers Jahr gesehen sinkt die Zahl: So gab es seit Januar 61.412 neue offene Stellen, 4.477 weniger als im Vorjahreszeitraum.
Die nackten Zahlen lesen sich so: In Berlin meldeten sich bei Arbeitsagenturen und Jobcentern zwischen Oktober 2012 und September 2013 genau 22.093 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz (308 mehr als im Vorjahreszeitraum). Dem gegenüber standen 12.063 betriebliche Ausbildungsplätze (108 weniger als zuvor) sowie 2.487 außerbetriebliche (106 mehr). Aktuell suchen noch 1.512 Jugendliche, gleichzeitig sind 683 Ausbildungsplätze weiterhin unbesetzt.
„Große Anstrengungen“
Und die Interpretation dieser Zahlen? „In der Wirtschaft gibt es große Anstrengungen, durch Ausbildung für Qualifizierung der eigenen Fachkräfte zu sorgen“, erklärt Wagon. Zwar gebe es weniger Ausbildungsplätze, schiebt er nach und verschweigt nicht, dass man mehr schaffen müsse. Aber vor allem wolle man künftig mehr Berufsorientierung ab der 7. Klasse anbieten, „damit nicht nur die üblichen zehn Berufe bekannt sind“.
Ins selbe Horn stößt die Senatorin. Nach den unvermeidlichen Jubelsätzen zum leichten Rückgang der allgemeinen Arbeitslosigkeit (s. Kasten), den sie natürlich auf „die gemeinsamen Anstrengungen von Bundesagentur und Senat“ zurückführt, erklärt sie ihre Sorge, dass noch 1.500 Jugendliche unvermittelt sind, „obwohl 680 Stellen unbesetzt“. Folgerichtig appelliert Kolat an die Jugend, „nicht nur den Lieblingsberuf“ zu wählen.
Zwar fordert sie auch die Betriebe auf, „nicht nur auf die Schulnote zu gucken“, sondern den jungen Leuten einfach mal eine Chance zu geben. Und in ihrer Presseerklärung bringt sie ihre Unzufriedenheit mit der Zahl der Ausbildungsstellen durchaus zum Ausdruck. „Die Berliner Betriebe müssen mehr ausbilden!“, heißt es da. Wie man aber dahin gelangt, wird auf der Veranstaltung nicht thematisiert.
7.000 suchen nicht mehr
Kein Thema für die Arbeitsmarktexperten sind auch diejenigen, die zwar keine Ausbildung bekommen, aber auch nicht weiter offiziell suchen. In diesem Jahr sind das immerhin 7.000 Jugendliche, also knapp ein Drittel der ursprünglichen Bewerber. Was mit ihnen in der Zwischenzeit geschehen ist, werde statistisch nicht erfasst, erklärt BA-Chef Wagon auf Nachfrage der taz. Ein Teil von ihnen fange wohl ein Studium an, mutmaßt er. „Manche machen auch ein berufspraktisches Jahr oder gehen in den Freiwilligendienst.“
Dass das Lamento von den unflexiblen Jugendlichen und ihrer Fixierung auf wenige Lieblingsberufe allenfalls die halbe Wahrheit ist, zeigt sich auch beim anschließenden Rundgang über die Jobmesse. Einer der Besucher, Steven Burdack, erzählt von seiner nun schon fünf Jahre dauernden Suche nach einem Ausbildungsplatz. 300 bis 400 Bewerbungen habe er wohl geschrieben, schätzte der 24-Jährige, der einen erweiterten Hauptschulabschluss hat. Eigentlich wolle er IT-Systemelektroniker werden, weil er sich mit Computern, Hard- und Software auskenne. Beworben hat er sich aber auch schon als Koch und als Tischler. „Heutzutage muss man flexibel sein“, weiß der junge Mann das Credo der Zeit nachzubeten. Genützt hat ihm das bislang nichts.
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