Ausbildungsmisere: Die Guten dürfen an den Herd
Hunderte Betriebe suchen nach Azubis, tausende Jugendliche nach einer Lehrstelle. Die IHK erklärt dies mit der schlechten Qualifikation der Bewerber.
Wenige Tage vor Beginn des neuen Lehrjahres am 1. September suchen viele Betriebe noch immer nach geeigneten Auszubildenden. Laut den aktuellen Zahlen der Landesagentur für Arbeit gibt es in Berlin 2.901 freie Lehrstellen, das ist rund ein Drittel mehr als im Vorjahr.
Am stärksten von dem Mangel betroffen seien die Branchen Gastronomie, Metallindustrie und Technik/IT; gesucht würden außerdem Bürofachkräfte, sagt Olaf Möller, Sprecher der Landesarbeitsagentur. Die Zahlen überraschen. Denn zugleich suchen nach wie vor 8.056 Schulabgänger einen Ausbildungsplatz. Darunter befinden sich rund 2.400 Altbewerber, die bereits im vergangenen Jahre nicht zum Zuge kamen.
"Der Ausbildungsstellenmarkt ist derzeit sehr entspannt", so Möller. Wer bisher nur negative Antworten bekommen hat, solle sich auf jeden Fall weiter bewerben, rät er. "Die Chancen stehen sehr gut, noch einen der freien Plätze zu bekommen."
Holger Lunau, Sprecher der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), sieht vor allem zwei Gründe für den derzeitigen Bewerbermangel. Viele Unternehmen würden aufgrund der Konjunkturlage wieder mehr Lehrstellen anbieten. Bereits im vergangenen Jahr habe die Zahl der angebotenen Stellen eine Rekordhöhe erreicht. Diese Entwicklung habe sich in diesem Jahr fortgesetzt.
Zugleich weist IHK-Sprecher Lunau darauf hin, dass es wegen der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren immer weniger Schulabgänger geben werde. Waren es im vergangenen Jahr noch rund 33.470 Schulabgänger, wird die Zahl bis 2011 auf etwa 26.700 zurückgehen, so Lunau. "Die Berliner Wirtschaft muss sich in den nächsten Jahren auf einen starken Rückgang einstellen."
Warum trotz der vielen offenen Lehrstellen viele Bewerber auch in diesem Jahr keinen Platz bekommen werden, begründet der IHK-Sprecher mit der mangelnden Qualifikation vieler Bewerber. 10 Prozent der Berliner gingen sogar ganz ohne Schulabschluss von der Schule, kritisiert Holger Lunau. Zugleich würden die Ansprüche gerade im IT-Bereich steigen. "Denen werden die Berliner Schulen nicht gerecht."
"Alles Quatsch", sagt hingegen Daniel Wucherpfennig, Bezirkssekretär der DGB-Jugend Berlin/Brandenburg. Gerade bei der heutigen Jugend gebe es diese Technikscheu nicht, sagt Wucherpfennig. Im Gegenteil: Die Praxis habe gezeigt, dass die Einarbeitung in neue technische Abläufe bei Jugendlichen viel schneller gehe als bei Erwachsenen, die bereits seit Jahrzehnten im Betrieb sind.
Wucherpfennig kritisiert, dass es bei den Unternehmern in den vergangenen Jahren die Tendenz gegeben habe, die Plätze vor allem an überqualifizierte Abiturienten zu vergeben. "Berliner Betriebe müssen sich daran gewöhnen, dass sie sich wieder mehr auf die eigentliche Ausbildungsklientel konzentrieren müssen." Und das seien nun einmal die Haupt- und Realschüler.
Der angebliche Fachkräftemangel, den die IHK heraufbeschwört, diene doch bloß dazu, von den eigenen Versäumnissen abzulenken, sagt der DGB-Jugendsekretär. Unternehmen würden zunehmend fertige Mitarbeiter als Lehrlinge erwarten. Dabei sei es doch eben ihre Aufgabe, die jungen Leute fit für den Arbeitsmarkt zu machen.
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