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Ausbeutung bei Bananenproduktion in EcuadorMorddrohung per Messenger

Wegen ihres Einsatzes für Plantagenar­bei­te­r:in­nen werden Gewerkschafterinnen eingeschüchtert. Die Gewerkschaft vermutet Bananenproduzenten dahinter.

Bei der Produktion von Bananen werden Menschen weltweit ausgebeutet Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Nachrichten kamen per Whatsapp – wortgleich, zur selben Uhrzeit. Drei Gewerkschafterinnen haben in Ecuador wegen ihres Einsatzes für Ba­na­nen­ar­bei­te­r:in­nen Morddrohungen bekommen, mutmaßlich von einer Gruppe der organisierten Kriminalität.

Man solle sofort aufhören, die Arbeiter zu „belästigen“ und ihre Rechte zu verteidigen, steht in der Nachricht, die die Gewerkschaft veröffentlicht hat. Es folgen detaillierte Angaben über Wohnorte und die Familien der drei Frauen.

„Wir nehmen diese Bedrohung sehr ernst“, sagt Maricela Guzmán, eine der betroffenen Frauen. Sie und ihre Kolleginnen arbeiten seit mehreren Jahren für die Bananengewerkschaft ASTAC. Sie organisieren Ar­bei­te­r:in­nen auf den Plantagen, geben Schulungen, kritisieren Bananenunternehmer öffentlich. Mehrere Hunderttausend Menschen arbeiten in Ecuador auf Bananenplantagen, teils unter unmenschlichen Bedingungen.

Lange Zeit war Ecuador im Vergleich zu seinem Nachbar Kolumbien ein relativ friedliches Land. Doch seit einigen Jahren setzt sich auch dort die organisierte Kriminalität fest. Die Gruppen nutzen unter anderem die Häfen des Landes, um Kokain nach Europa oder die USA zu transportieren. Anfang August wurde der ecuadorianische Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio in der Hautpstadt Quito auf offener Straße erschossen.

Die Gewerkschafterin Guzmán erzählt, dass ihre Heimatstadt Quevedo eine der gefährlichsten Städte Ecuadors geworden sei. Täglich gebe es Auseinandersetzungen rivalisierender Banden, auch Tote. Sie fühle sich aktuell relativ sicher, aber sie traue sich kaum auf die Straße. Jedes fremde Geräusch, jede unbekannte Person, jeder vorbeifahrende Motorroller löse Panik aus. „Es ist sehr schwer zu erklären, was ein Mensch fühlt, wenn er glaubt, dass sein Leben in Gefahr ist.“

Die Gewerkschaft ASTAC geht davon aus, dass ein Auftraggeber hinter den Nachrichten steckt. „Die Mafia bietet so etwas als schmutzige Dienstleistung an“, sagt Jorge Acosta, der Gründer der Gewerkschaft. Er vermutet Bananenproduzenten hinter den Drohungen, denen die Arbeit von ASTAC schon lange ein Dorn im Auge sei. Dafür spreche, dass die Absender kein Schutzgeld für sich selbst forderten, sondern sich direkt auf die Arbeit der drei Frauen beziehe.

Ähnlich sieht das die Entwicklungsorganisation Oxfam, die mit ASTAC zusammenarbeitet. „Wir sehen in den Morddrohungen einen Angriff auf die gesamte Arbeit von ASTAC und auf Gewerkschaftsarbeit in Ecuador generell“, sagt Steffen Vogel, der als Referent für ein gerechtes Ernährungssystem bei der Organisation arbeitet. „Verstrickungen zwischen der Bananenindustrie und der organisierten Kriminalität liegen auf der Hand.“

Oxfam hat unter anderem mit dem Hilfswerk Misereor, der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und der Menschenrechtsorganisation ECCHR einen Brief an den ecuadorianischen Präsidenten und andere internationale Stellen geschrieben, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Auch Po­li­ti­ke­r:in­nen in Deutschland und deutsche Supermärkte habe man aufgefordert, für den Schutz der Gewerkschafterinnen zu sorgen. Etwa ein Viertel der Bananen in deutschen Supermärkten kommt aus Ecuador.

Erste Reaktionen gibt es bereits, etwa vom Europaabgeordneten Helmut Scholz. „Ich verurteile die Morddrohungen gegen die drei Gewerkschaftsführerinnen und ihre Familien aufs Schärfste“, sagt der Handelspolitiker der Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament. Ecuador habe sich 2017 in einem Freihandelsabkommen mit der EU verpflichtet, grundlegende Arbeitsnormen durchzusetzen. „Die Regierung ist nun dringend gefordert, die Verantwortlichen der Morddrohungen juristisch zur Rechenschaft zu ziehen.“

Der Bundestagsabgeordnete Fabian Funke (SPD) sieht eine Verantwortung auch bei der internationalen Politik und Konzernen: „Die Todesdrohungen gegen die mutigen Ge­werk­schaf­te­r:in­nen von ASTAC sind ein weiterer ganz konkreter Beweis dafür, warum es starke Lieferkettengesetze auf allen Ebenen braucht“, sagt er. Das Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren sei ein Grundrecht und müsse durchgesetzt werden.

Gemeinsam mit internationalen Partnern organisiert ASTAC momentan den Schutz seiner Mitarbeiterinnen. Die gewerkschaftliche Arbeit wolle man selbstverständlich fortsetzen.

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