Aus für Tour-de-France im TV: ARD & ZDF wollen nicht mehr mitradeln
Die öffentlich-rechtlichen Sender wollen aus der Live-Übertragung der Tour aussteigen. Der Vertrag mit dem Veranstalter für Sommer 2011 muss aber noch erfüllt werden.
BERLIN taz | Die Idee, aus der Tour de France auszusteigen, ist nach taz-Informationen in den Sendern schon weit gediehen. Die ARD-Vorsitzende Monika Piel und ZDF-Chef Markus Schächter seien sich bereits einig. Ihren Entschluss müssen allerdings noch die übrigen acht ARD-Chefs absegnen.
Die kommen am Montag der kommenden Woche bei Piel in den Räumen des WDR in Köln zusammen, der derzeit den Vorsitz des Senderverbunds innehat. Mit Widerstand in den eigenen Reihen wird kaum mehr gerechnet, denn bei ARD-Gesprächen im Vorfeld habe Konsens geherrscht.
Richtig treffen würde ein Aus vor allem den Saarländischen Rundfunk: Die zweitkleinste der neun ARD-Anstalten ist im Verbund der Sender für den Radsport zuständig. Ihm würde ein Hauptthema weitgehend wegbrechen. Erwartet wird, dass der Ausstieg am Mittwoch von ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky und dem Sportchef des ZDF, Dieter Gruschwitz, bekannt gegeben wird.
Mit dieser Entscheidung würden die Senderchefs vor allem die Konsequenz aus dem ständigen Betrugsverdacht ziehen, der in den vergangenen Jahren einen dunkeln Schatten auf die Frankreichrundfahrt warf und sich in zahlreichen Fällen schließlich auch erhärten ließ.
In diesem Sommer, vom 2. bis zum 24. Juli, werden ARD und ZDF die Tour allerdings noch einmal definitiv ins Programm heben. Bis dahin läuft der stets über mehrere Jahre geschlossene Vertrag mit dem Tour-Veranstalter Amaury Sports Organisation (ASO) noch. Diese Lizenz verpflichtet ARD und ZDF, alle Etappen mindestens zu großen Teilen live zu zeigen.
Nach mehreren Doping-Skandalen dampften die gebührenfinanzierten Kanäle ihre Tour-Übertragung bereits stark ein: 2009 ging der Live-Anteil sogar auf rund 30 Minuten pro Tag zurück. 2010 wurde die Live-Berichterstattung immerhin auf rund 60 Minuten begrenzt. Vor der Krise sendeten die Sender noch ganze Nachmittage durch. Die ASO erwartet auch für dieses Jahr mindestens eine Stunde Liveprogramm am Tag. Sie pocht damit auf Vertragserfüllung, aller Probleme zum Trotz.
Nach taz-Informationen stören sich die Intendanten unter anderem daran, dass der Tour hierzulande die Zuschauer weggelaufen sind: Im Schnitt noch 1,26 Millionen Radsportfans schauten sich im vergangenen Jahr die 20 Etappen an – ein leichtes Plus zum Vorjahr zwar, doch verglichen mit den Boom-Zeiten der Tour war auch das noch immer ein kräftiger Zuschauerschwund.
Vor allem der Fall des Spaniers Alberto Contador gilt nun als Grund für die Konsequenz der Sender-Chefs, von denen sich insbesondere ZDF-Intendant Markus Schächter früh festgelegt haben soll: Der Tour-de-France-Sieger Contador war im vergangenen Jahr positiv auf Clenbuterol getestet worden, ein Mittel, das üblicherweise in der Kälbermast zum Einsatz kommt.
Doping, vorsätzlicher Betrug mit Drogen also, zu Lasten der ehrlichen Fahrer? Contador selbst macht verunreinigtes Fleisch für seine Werte verantwortlich und beteuert seine Unschuld. Er wehrt sich gegen Sanktionen.
Ein regelrechtes Tour-Debakel erlebten die deutschen Sender im Jahr 2007. Damals rutschte die Glaubwürdigkeit von ARD und ZDF ebenso in den Keller wie die der gesamten Radsportszene: Als bei der Tour zunehmend auch deutsche Fahrer in Dopingfälle verwickelt waren, zogen die Sender, denen zudem eine zu große Nähe zum Sport und vorsätzliches Schweigen über kriminelle Energien im Radsport vorgeworfen wurde, die Notbremse. Sie brachen die Übertragung des Radrennens kurzerhand ab.
Damals allerdings hatten die öffentlich-rechtlichen Sender bereits für die folgenden Jahre Verträge mit der ASO geschlossen – und sind damit bis heute dazu verpflichtet, die bisweilen verseuchte Sportart weiter zu zeigen. Schon nach dem Eklat warnte der damalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, nah bei Intendant Schächter: „Ich glaube, dass die Veranstalter verstanden haben, dass der Ausstieg ein Schuss vor den Bug war.
Der zweite Schuss geht in den Bug – und dann ist’s auch zu Ende.“ Angesichts der nun laufenden Affäre um Contador, die zudem von der ARD sogar in weiten Teilen selbst ans Tageslicht befördert wurde, steht fest: Die Verantwortlichen in den Sendern wollen ihr Wort nun auch halten. Das wäre nicht zuletzt auch ein Signal in Richtung anderer Sportarten, ob Schwimmen, Biathlon oder Leichtathletik.
Ein weiterer Grund für das nun avisierte Tour-Aus: Sowohl ARD als auch ZDF versuchen derzeit, bei den Live-Rechten von Sportveranstaltungen zu sparen. Das ZDF verzichtet dafür etwa neuerdings auf Boxen. Beide öffentlich-rechtlichen Sender haben sich zudem entschieden, bei der nächsten Leichtathletik-WM nicht live dabei zu sein – auch, weil die Veranstaltung hierzulande zu nachtschlafender Zeit läuft. Die Tour-Berichterstattung fällt also nicht zuletzt auch dem Rotstift zum Opfer, immerhin kostet sie die Sender pro Jahr etwa drei Millionen Euro.
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