: Aus drei mach eins
■ Drei grünliche Stiftungen sind zur neuen Heinrich-Böll-Stiftung fusioniert
Bonn (taz) – Spät am Abend, als die offiziellen Reden zur Vorstellung der neuen Heinrich-Böll-Stiftung gehalten waren, sprach einer Klartext: Ludger Volmer vom linken Flügel der Bündnisgrünen. Die Entscheidung, „drei esoterische Gruppen, die sich gegenseitig nichts gönnen“, zu einer schlagkräftigen Stiftung zu fusionieren, sei längst überfällig gewesen.
Anders als die anderen Parteien hatten sich die Bündnisgrünen bislang nicht mit einer parteinahen Stiftung begnügt, sondern hielten sich gleich drei. Die 45 Millionen, die der Staat dafür spendierte, wurden durch drei geteilt: Die Frauenanstiftung kümmerte sich um Frauenthemen, der Buntstift fungierte als Dachverband für 16 Landesstiftungen, die alte Heinrich-Böll-Stiftung hatte sich auf Menschenrechte, Kunst und Kultur spezialisiert. Den gemeinsamen Dachverband Regenbogen hinzugerechnet, wurschtelten insgesamt 130 festangestellte Mitarbeiter vor sich hin, stimmten sich nicht richtig ab, erzielten bundesweit kaum Aufmerksamkeit. Das soll sich nun ändern. Die drei Stiftungen fusionierten vor kurzer Zeit zu einer einzigen, zu der mit dem klingendsten Namen: Heinrich-Böll-Stiftung (hbs).
Zwei der drei Vorstandsmitglieder, allesamt Stiftungsneulinge, sind Frauen. Zum Ausgleich redet der Mann, Ralf Fücks, dreimal so lange wie seine parteilose Kolleginnen Claudia Neusüß und Petra Streit aus Ostdeutschland. „Es sind nur Leute im Vorstand, die keine politischen Ambitionen haben“, behauptet der Bremer Exsenator Fücks in seiner Ansprache. Die Stiftung will erklärtermaßen kein verlängerter Arm grüner Parteipolitik sein, sondern, wie es so schön heißt, „plurale Bildungsarbeit“ machen. Claudia Neusüß ist kein Parteimitglied, und Petra Streit wurde bei ihrem Bewerbungsgespräch nicht nach einer Parteizugehörigkeit gefragt.
Petra Streit sagt gar, die Stiftung sei „überhaupt nicht an die Partei gebunden“. Das sei gerade ihre Stärke. Parteien seien zur Einhelligkeit gezwungen, Stiftungen seien dagegen parteiübergreifend und könnten sich erlauben, unterschiedlichste Meinungen zu bündeln. Wie ihre Mitstreiter sieht Petra Streit einen Schwerpunkt der Arbeit in Ostdeutschland. Dort müsse die Demokratisierung vorangetrieben werden. Der parlamentarische Geschäftsführer, Werner Schulze, mißt der Stiftung gerade in Ostdeutschland eine große Bedeutung zu. Die Menschen hätten einen großen Diskussionsbedarf. Parteiveranstaltungen holten allerdings keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor. „Die Menschen haben genug von toten Institutionen.“
Von den Vorstandsmitgliedern scheint sich allein Ralf Fücks voll mit der Partei zu identifizieren. Wenn er von „wir“ redet, „wir“ seien zur Zeit weg von geistigen Höhenflügen, „wir“ seien nicht mehr Trendsetter, dann meint er die Bündnisgrünen. Mit der Stiftung will er zukunftsweisende Themen anpacken, für die im Alltagsgeschäft einer Partei keine Zeit bleibt. Die letzten Jahre seien doch sehr von Tagespolitik geprägt gewesen, stellt er nüchtern fest. Mit der erfolgreichen Realpolitik und dem Zuwachs an Kompetenz sei seiner Partei gleichzeitig die ideelle Ausstrahlung auf die Gesellschaft verlorengegangen. Die Stiftung wolle dies wiederbeleben, mit Themen wie „Wege aus der Wachstumsfalle“.
Das ganze Dilemma seiner Partei zeigt Ludger Volmer mit einer beiläufig erzählten Geschichte. Vor ein paar Wochen habe er der Fraktion vorgeschlagen, das Thema internationale Spekulationssteuer mit drei namhaften Leuten zu diskutieren. Darunter dem CDU-nahen Chef des Giro- und Sparkassenverbandes, Horst Köhler, und dem Marxisten Elmar Altvater. Die Fraktion habe daraufhin beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der diskutiert werden sollte, wie sie das hinkriegen könnte. Später habe es dann geheißen: „Nee, der Köhler, den wollen wir nicht.“ Für Volmer ist klar: „Dann muß die Stiftung das eben machen.“ Markus Franz
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