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Aus den Plänen wird nichts

Zwei Schriftsteller, ein Jungspund und die traurige Situation nach dem Krieg: der Briefwechsel von Raoul Hausmann und Franz Jung mit dem Verleger Jes Petersen

Es ist ein schönes Buch. Und ein trauriges. Denn der Briefwechsel zwischen dem Jungverleger Jes Petersen und den Schriftstellern Raoul Hausmann und Franz Jung zeigt die fatale finanzielle Situation der Dadaisten und Expressionisten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Während die Wiener Gruppe Furore mit Sprachspielen machten, mussten die Väter des Expressionismus um ihre Existenz bangen.

Als sich Jes Petersen, der sich später als Galerist einen Namen machte, 1960 an Raoul Hausmann wendet, ahnt der schleswig-holsteinische Bauernsohn nichts von dessen Situation. Gerade 24-jährig, nimmt er an, mit Hausmann und Jung, aber auch mit Tristan Tzara und Hannah Höch von gleich zu gleich reden zu können. Zudem nimmt Petersen sein eigenes finanzielles Scheitern als Beleg dafür, dass er sich mit Hausmann und Jung auf einer künstlerischen Stufe bewege. Brotlose Kunst.

Die Autoren lassen den Jungspund zunächst nicht spüren, für wie dumm und peinlich sie seine Einschätzungen halten. Ganz im Gegenteil, sie helfen ihm, wo sie können, vermitteln seinem Verlag Petersen Press Kontakte und versorgen ihn großzügig mit Manuskripten und Autographen. Sie laden ihn zu sich nach Frankreich, führen ihn in künstlerische Kreise ein und nehmen ihn auch sonst ernster, als er es verdient. Notgedrungen – denn leider ist es so, dass sich 1960 kaum noch ein Verleger für die Werke von Hausmann und Jung finden lässt.

Also setzen sie ihre Hoffnungen in Petersen – Hausmann möchte einige Bücher herausbringen, wenn nicht mit Strontium sogar eine eigene Zeitschrift, um sowohl sein eigenes Frühwerk zu würdigen als auch um den Neodadaisten der 60er-Jahre reaktionäre Selbstverliebtheit vorzuwerfen. Franz Jung hingegen entwirft für Petersen eine Pamphlete-Reihe, um in der herrschenden bundesdeutschen Spießigkeit „Flugschriften aus dem Gesamtgebiet des modernen Lebens“ entgegenzuhalten und um sich selbst als oppositioneller Denker zu empfehlen. Aus allen Plänen wird nichts.

Petersen zeigt sich auf eine beachtliche Weise beratungsresistent. Er verzettelt sich gegen den Rat seiner Mentoren mit Faksimileausgaben von Kurt Schwitters und Oskar Panizza, druckt Mittelmäßiges und provoziert einen Pornografieprozess gegen sich. Petersen „verbummelt“ Briefe und Anfragen, er missachtet die Bitten seiner Autoren und vergnügt sich stattdessen mit dem jungen Dieter Kunzelmann, der an Hausmann schreibt, er werde ihn „ankacken“. Bald ist Petersen für Jung nicht mehr tragbar. Daher bittet er ihn endlich, keine Jung-Publikationen anzukündigen. Petersen ignoriert dies. Der arme Hausmann erklärt dem inzwischen sich im Wirtschaftswunderberlin etablierenden Petersen drei Jahre später, dass er gerade keine neuen Manuskripte senden könne, woraufhin der beleidigte Verleger den Kontakt abrupt abbricht.

Auf den gut 300 Seiten des Buches liest man von zwei Intellektuellen, die aufgrund ihrer Lage einem Tölpel vertrauen müssen. Man leidet mit ihnen. Eine ungemein spannende Lektüre, da sie einen Einblick gibt in die Werkstatt zweier Autoren, die nicht aufgeben wollen. Schade ist, dass nicht auch die Briefe, die Hausmann und Jung untereinander gewechselt haben, dokumentiert sind. JÖRG SUNDERMEIER

Jes Petersen: „Strontium. Briefwechsel mit Raoul Hausmann und Franz Jung“. Basisdruck Verlag, Berlin 2001, 296 Seiten, 19,43 € (38 DM)

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