piwik no script img

Aus dem taz-MagazinJeder Mensch zählt

In den sechziger Jahren entstand der internationale Humanitarismus. Die vielleicht mächtigste soziale Bewegung der Zeitgeschichte ist aus der Weltpolitik nicht mehr weg zu denken.

Der Humanitarismus bleibt wichtig - vor allem im Kampf gegen den Hunger Bild: rtr

Wer erinnert sich noch an Biafra? Vierzig Jahre ist es her, dass ein Krieg fern in Afrika erstmals die Weltöffentlichkeit aufrüttelte. Als Nigerias Zentralregierung 1967-70 sezessionistische Militärs im Südosten des eigenen Landes niederkämpfte und das Aushungern der Zivilbevölkerung als Kriegsmethode einsetzte, gingen Bilder von Hungerbäuchen um die Welt, und Empörte machten mobil für die Biafrakinder.

Es entstand daraus eine der mächtigsten zivilgesellschaftlichen Bewegungen der Zeitgeschichte, deren Einfluss auf die Weltpolitik heute nicht mehr wegzudenken ist: der internationale Humanitarismus, der ohne Rücksicht auf politische Bedenken Hilfe für Notleidende fordert und organisiert und der zuweilen auch ohne Rücksicht auf legale Schranken Eingreifen zugunsten von Kriegsopfern verlangt und durchsetzt.

Aus dem Biafrakrieg entstand als zentrale Verkörperung dieses Gedankens die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), deren Name schon den Anspruch signalisiert: Wir helfen überall, wir lassen uns nicht stoppen. Es war im revolutionären Sommer 1968, als die Schreckensbilder aus Biafra vor allem in Paris auf fruchtbaren Boden fielen. Während das Internationale Rote Kreuz das Verbot seiner Hilfe im Kriegsgebiet durch Nigerias Regierung zunächst hinnahm, widersetzten sich die später als "French Doctors" bekannt gewordenen Helfer um den späteren MSF-Gründer und heutigen französischen Außenminister Bernard Kouchner. Irgendwann folgten ihnen alle anderen, selbst das Rote Kreuz.

Was in der Biafrahilfe als Humanitarismus entstand, setzte einen großen fortschrittlichen Gedanken unauslöschlich auf die Tagesordnung der Weltpolitik: Beistand für unmittelbar bedrohte Menschen darf nicht einem Veto der Bedrohenden unterliegen. Eine Regierung, die ihre Bürger umbringt, darf andere nicht daran hindern, etwas dagegen zu tun.

Die komplette Geschichte über den Biafra-Krieg und wie er die Weltpolitik veränderte erscheint am Samstag in einer Sonderausgabe des Magazins der Tageszeitung mit weiteren Texten zum Thema. Am Kiosk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!