Aus dem Gericht: Den Hund aus dem Fenster geworfen
Das Amtsgericht Tiergarten verurteilt eine Frau zu einer Bewährungsstrafe. Sie hatte einen Bulldoggenwelpen aus Wut aus dem Fenster geschleudert.
In der Nacht vom 1. auf den 2. Mai 2012 waren die Fetzen geflogen zwischen Katrin L. und ihrem Freund. Die Scherben waren in der ganzen Wohnung verstreut. Am frühen Morgen saß sie L. allein im zweiten Stock, angetrunken, mit einer dicken Wange und einer aufgeplatzten Oberlippe. Doch da war noch die kleine englische Bulldogge, ein Welpe, keine sechs Monate alt - ein Geschenk von ihrem Freund. Um sieben Uhr dann lag das Tier tot vor dem Haus in Neukölln. „Im Endeffekt musste der Hund dran glauben“, meinte die Richterin des Amtsgerichts Tiergarten am Dienstag. Wegen grundlosen Tötens eines Wirbeltieres verhängte sie sechs Monate Haft zur Bewährung. Außerdem soll die 400-Euro-Jobberin eine Zahlung über 500 Euro an den Tierschutzbund leisten
In der Verhandlung hatte die solariumgebräunte 31-Jährige mit den neonfarbenen Fingernägeln und dem auftoupierten, schwarz gefärbten Haar weiszumachen versucht, dass ihr der Hund vom Arm gehopst sei, als sie rauchend am offenen Küchenfenster saß. Sie habe noch das schabende Geräusch der Krallen gehört, als diese über das Fensterbrett glitten. „Sonst hätte ich doch nicht selbst die Polizei geholt und den nicht noch aufgehoben“, erklärte sie. „Dann hätte ich den doch liegen gelassen.“ Sie habe mit ihrem Freund auch keinen heftigen Streit gehabt, nur eine verbale Auseinandersetzung.
Zwei Polizisten widersprachen dieser Schilderung. „Sie hatte gesagt, sie habe ihn aus Wut aus dem Fenster geschmissen“, meinte ein Beamter. L. habe geweint, es sei für sie offensichtlich "emotional sehr belastend“ gewesen. Seine Kollegin erinnerte sich an das Körbchen, in dem der tote Hund lag und an „das absolute Unverständnis bei Frau L., wieso wir eine Strafanzeige gegen sie schrieben. Sie hätte uns doch angerufen, somit sei doch die Sache wieder gut.“
Trotz dieser Aussagen wollte die wegen Schwarzfahrens vierfach vorbestrafte Frau kein Geständnis ablegen. Das nahmen ihr sowohl die Staatsanwältin als auch die Richterin übel. „Von Einsicht und Reue meilenweit entfernt“, befand die Anklägerin und die Richterin ergänzte: „Wenn Sie gesagt hätten, da habe ich überreagiert, würde ich das verstehen. Aber nicht, wenn Sie eine Geschichte erzählen, in der Sie uns noch das Kratzen Ihres Hundes auf dem Fensterbrett schildern.“ Wortlos schnappte sich die Verurteilte ihre Tasche und verließ den Saal.
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