Aus dem Genossenschaftsinfo 1/2020: Meine Liebesbriefe

Das Motivationsgeheimnis von Produktenwicklerin Luise Strothmann.

Luise Strothmann: Seit 2019 verantwortlich für die Produktentwicklung der taz im Netz Bild: Piero Chiussi

An den allermeisten Tagen fühlt es sich toll an, in einem riesigen Büro unter den Leuchtbuchstaben „taz, die tageszeitung“ zu sitzen und an der Zukunft der taz zu arbeiten. Produktentwicklerin für die taz im Netz zu sein, ist ein großes Privileg. Aber wie bei jedem Job gibt es auch diese anderen Tage. Die, an denen ich über ein kompliziertes Problem nachdenke und der Knoten löst sich nicht. Die, an denen etwas schief geht.

Heute verrate ich Ihnen meine Zauberwaffe für solche Tage: Ich stehe auf, öffne mein schwarzes Schließfach am Ende des Flures oder klicke den Ordner auf meinem Laptop an.

Und dann lese ich Ihre Liebesbriefe:

„Liebe Frau Strothmann, ich habe Sie auf der Genossenschaftsversammlung gesehen. Ihnen ist die digitale Begeisterung anzumerken. Dabei drücke ich Ihnen die Daumen. Ich starte ab heute das e-Paper lesen ...“

Oder: „Zudem stocke ich beiliegend meine Genossenschaftsanteile auf, um Ihnen damit ein Zeichen zu geben.“

Vielleicht dann noch: „Als derzeitiger Leser im Kombiabo wünsche ich mir eine Testausgabe im zukünftigen App-Format, damit ich meine (derzeit nur-) papierlesende Frau von den Vorzügen der Digitaz überzeugen kann.“

Und: „Ich war selbst vor Jahren äußert kritisch, als zum ersten Mal die Debatte aufkam, die Printtaz einzustellen. Aber ich habe auf der anderen Seite ein unglaublich großes Vertrauen darin, dass ihr den richtigen Weg geht. Und dass wir gemeinsam da den richtigen Weg gehen.“

Und wenn die Stimmung ganz im Keller ist, auch noch: „Die Genoversammlung hat mir den Anschub gegeben, mich insbesondere eurem Team als eine Art ‚ehrenamtliche Hilfskraft̒ anzudienen. Ich biete euch also an, ehrenamtlich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen mit meinem Wissen und meiner Erfahrung.“

Ihre Solidarität ist das Beste, was wir haben

Können Sie nachvollziehen, wie es mir geht, jetzt, nachdem ich das gelesen habe? Es klingt wahnsinnig pathetisch, aber da ist wieder das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein. Als Kalle Ruch im vergangenen Herbst beim Kongress der Zeitungsverleger unser Szenario für die Zukunft der taz vorgestellt hat, gab es einen kleinen Tumult. Redete er gerade die Zeitung tot? FAZ-Geschäftsführer Thomas Lindner sagte, Befragungen würden ergeben, dass neun von zehn FAZ-Käufern verloren gingen, wenn ihnen die gedruckte Zeitung weggenommen würde. Mich hat das sehr gewundert, die Zahlen aus unserer Befragung sehen ganz anders aus.

Wir, die Produktentwickler*innen in der taz haben im vergangenen Jahr viel Zeit damit verbracht, mit Genoss*innen, Leser*innen und Unterstützer*innen zu sprechen. Bei Workshops, in Gruppengesprächen, per E-Mail, bei Tests unserer digitalen Produkte, beim Kaffee in der taz Kantine. Dabei wurde mir wieder klar, was bei uns anders ist: Die taz ist für unsere Unterstützer*innen kein Ding. Kein Turnschuh, den man nicht wieder kauft, weil die neue Farbe nicht gefällt. Unsere Unterstützer*innen haben eine Beziehung zur taz, die weit über das Vermittlungsmaterial hinausgeht. Es geht ihnen um etwas: Um linken unabhängigen Journalismus. Getragen von einer Gemeinschaft. Deswegen sind diese Zeilen auch ein Liebesbrief. Dieses Mal von mir an Sie: Ihre Solidarität ist das Beste, was wir haben. Wie schön, dass Sie da sind!

Ihre Luise Strothmann