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Aus Wohnklo mach' ein Wohnbüro

■ „Wohnbüros“: Vermieter kassieren doppelt, Mieterschutz wird unterlaufen Von Heike Haarhoff

Genau ein Wochenende lang durfte sich die Baubehörde unwidersprochen für ihren „erfolgreichen Mieter- und Wohnraumschutz in Hamburg“ auf die Schulter klopfen. Sie sonnte sich in der „seit Jahren konsequenten Anwendung“ der bestehenden Mieterschutzbestimmungen und der Zweckentfremdungsverordnung. Von soviel Eigenlob hatte der Mieterverein zu Hamburg die Nase voll. „Es ist ein Skandal, daß in Hamburg mindestens 30.000 Wohnungen durch Gewerbenutzung zweckentfremdet werden und niemand einschreitet“, wetterte gestern Mietervereins-Chef Eckard Pahlke.

Von „den zuständigen Behörden und den Gerichten“ fühlt sich der MieterInnen-Vertreter „im Stich gelassen“: Die einen entschuldigten ihre Untätigkeit mit personellen Engpässen, die anderen verschanzten sich hinter einer fragwürdigen Rechtsprechung. Was Eckard Pahlke so arg zu schaffen macht, ist neben Leerstand vor allem die rechtswidrige Nutzung von Wohnraum zu Gewerbezwecken: „Immer mehr Vermieter gehen dazu über, nur noch Gewerbemietverträge zu vergeben, weil sie so bis zu 100 Prozent mehr kassieren können.“ Und zahlungskräftige, von der fast aussichtslosen Wohnungssuche Frustrierte – in Hamburg fehlen schätzungsweise 70.000 Wohnungen – wagen nicht, aufzumucken. So werden in Altbauten Quadratmeterpreise von bis zu 30 Mark gezahlt; zwölf bis vierzehn hält Pahlke bei Wohnraum für angemessen. „Viele finden es auch schick, sich ihre Anwaltskanzlei im Altbau einzurichten und wehren sich deshalb nicht“, vermutet Pahlke. „Dabei gibt es in Hamburg weiß Gott genügend leerstehende Gewerbeflächen.“

Außer höheren Einnahmen haben Vermieter durch die Gewerbenutzung auch noch größere Freiheiten: Anders als im Wohnrecht gewähren gewerbliche Mietverträge keinerlei Mieterschutz. Schadensersatz- oder Mietminderungsansprüche gelten nicht, es gibt es keinen Mietspiegel: Dem Wucher sind keine Grenzen gesetzt. „Wer einen Verdacht hat, daß der geschlossene Vertrag rechtswidrig ist, kann sich an das Mietertelefon der Baubehörde wenden“, empfiehlt deren Sprecher Jürgen Asmussen (Tel.: 349132545). „Wir gehen dann der Sache nach.“ Ansonsten schilt Asmussen die „Kampagne des Mietervereins“ als „eine Handlungsanweisung für Vermieter, denen jetzt genau erklärt wird, wie sie vorzugehen haben.“

Pahlke wirft den Zivilgerichten vor, eben diese Praxis nicht zu unterbinden: „In den Urteilen beruft man sich immer auf den Parteiwillen. Wenn also der Vermieter erklärt, daß die Zimmer hauptsächlich zum Wohnen genutzt werden, ist das für die Gerichte keine Zweckentfremdung.“

Ähnliche Erfahrungen machen Mietervereine anderer Großstädte wie Berlin, Köln und München: „Die Gerichte weichen die Zweckentfremdungsverordnung auf“, klagt Sabine Malinke, stellvertretende Geschäftsführerin des Mietervereins München. Und auch die Kontrolle durch das Wohnungsamt „könnte intensiver sein.“ – In Bayerns Hauptstadt fehlen rund 18.000 Wohnungen allein im öffentlich finanzierten Bereich. Eine positive Ausnahme bildet die Stadt Frankfurt: „Das Amt für Woh-nungswesen hat eine eigene Außendienststelle, die sich nicht scheut, rigide durchzugreifen und Bußgelder bis zu 100.000 Mark zu verhängen“, sagt Gert Reeh, Jurist beim Mieterverein: „Das hat abschreckende Wirkung gezeigt, aber es fehlen immer noch 20.000 Sozialwohnungen.“

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